München – Der EHC München hat sich und seine Anhänger auf die Folter gespannt, aber die über vier Tage und zwei verlorene Spiele aufgebaute Spannung hat sich am gestrigen Donnerstagabend entladen: Der Meister der Jahre 2016 und 17 wurde auch der Meister 2018, der EHC gewann das siebte Finalspiel gegen die Eisbären Berlin 6:3 (4:1, 1:0, 1:2) und somit die Serie mit 4:3. Um 22:00 Uhr war’s perfekt, dass München seinen Titel verteidigt hatte.
Mühevoll, trotz des klar anmutenden Resultats. Denn Berlin war dicht dran, sogar die aktivere und spielstärker anmutende Mannschaft. Aber: München war an diesem Tag stärker im Kopf, hatte in Danny Aus den Birken den sichereren Torwart – und bekam schon im ersten Drittel den Lauf. Die Körpersprache, am Dienstag noch als Zeichen der Verunsicherung gedeutet, wandelte sich. Der EHC München war nun wieder die entschlossene und souveräne Mannschaft aus der Hauptrunde. Zusatz zum Titel: Jon Matsumoto wurde als wertvollster Spieler (MVP) der Playoffs ausgezeichnet. Er bestätigte übrigens, dass er den EHC verlassen wird (wie unsere Zeitung im Januar berichtete).
Die DEL hatte eine Umbesetzung bei den Schiedsrichtern vorgenommen. Zu Daniel Piechazeck, in den Spielen drei und vier im Einsatz gewesen, stieß Mark Lemelin. Amerikaner, 36, sonst in Österreich und der Schweiz aktiv, er leitete bereits NHL-Spiele und – das Olympia-Finale im Februar. Lemelin pfiff konsequent – so wie es sein muss in einer Serie, die immer aufgewühlter geworden war.
„Es ist emotional ein schmaler Grat, auf dem wir sein müssen“, sagte Patrick Hager, der Münchner Stürmer. Er und seine Mitspieler bewegten sich sicher auf besagtem Grat, „wir sind aggressiver als in den Spielen davor“, fand Hager. Aber dennoch beherrscht.
Es war ein Ringen um das berühmte Momentum (früher hätte man gesagt: darum, wer Oberwasser hat). Würde das erste Tor den Verlauf des Spiels vorgeben, wie EHC-Kapitän Michael Wolf gemutmaßt hatte? Die Eisbären waren seit einigen Tagen Besitzer des Momentums und nahmen es mit in die Anfangsphase: 1:0 nach elf Minuten, Duponts Schuss flatterte im Powerplay ins Münchner Tor.
Das Momentum ist aber eine Diva und kein Partner fürs Leben. Es wechselte die Seiten, es entwickelte sich fast aus dem Nichts eine historische Phase der Befreiung für den EHC. 12:42, 15:57, zehn Sekunden später bei 16:07 – zu diesen Zeitpunkten fielen die Münchner Treffer durch Abeltshauser, den Solisten Matsumoto und einen Pinizzotto-Abstauber. 3:1 nach 0:1. Und da passte es rein, dass Christensen in Überzahl den Puck über die Berliner Torlinie arbeitete und vor Entrücktheit die Plexiglasscheibe hochsprang. 4:1 – bei aus EHC-Sicht negativer Torschussbilanz (10:16).
Nach dem zweiten Drittel stand es in dieser Kategorie 20:29, doch ein Treffer gelang nur den Münchnern. Offiziell durch Pinizzotto, tatsächlich war es ein Eigentor von Richmond. Berlin kämpfte, stürmte, geriet durch seine Undiszipliniertheiten aber in Unterzahl. Alt-Bundestrainer Hans Zach sagte nach 40 Minuten bei Telekomsport: „München hat beide Hände am Pott.“
Und das bestätigte sich auch: Berlin quirlte weiter ums Münchner Tor herum und kam durch MacQueen zum Anschluss (45.), doch fast umgehend fiel den Berlinern hinten einer rein (Macek). Sheppard verkürzte abermals. Die Eisbären agierten die letzten fünf Minuten über weite Strecken ohne Torhüter, ihre Hingabe war: meisterlich.
Doch nicht der entscheidende Faktor. Die Handschuhe und Schläger flogen auf Münchner Seite, die Eisbären umarmten einander stumm.