München – Fast auf den Tag genau sechs Jahre ist es her, als sich der FC Bayern in einem Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid noch durchsetzte; 3:4 im Elfmeterschießen. Der Blick in die Geschichtsbücher dürfte für Dienstagabend Mut spenden: Nach einer guten Viertelstunde lagen die Münchner bereits 0:2 zurück, zwei Mal hatte Cristiano Ronaldo getroffen, er war schon damals eiskalt. Eine taktische Maßnahme von Jose Mourinho wurde nach wenigen Minuten klar: Weite Diagonalbälle von Xabi Alonso auf Bayerns linke Abwehrseite; Reals Coach hatte den jungen David Alaba dort als Schwachstelle herausgefiltert. Er sollte sich täuschen. Alaba war anfangs irritiert, biss sich aber in die Partie und verwandelte später auch noch den ersten Elfmeter.
In den Folgejahren wurde Alaba immer stärker, einige Zeit galt er als bester Linksverteidiger der Welt. Doch er hielt das Level nicht, verlor sich etwas im eigenen Ruhm, und inzwischen hat ihm einer den Rang abgelaufen, der vor sechs Jahren auch dabei war und erst spät aus dem Hintergrund durchgestartet ist.
Marcelo steht in Madrid bis heute im Schatten der Offensivstars und gilt dennoch als eine zentrale Figur, im Verein wie in Brasiliens Nationalelf. Seine Bescheidenheit ist sein Trumpf, neben seinen fußballerischen Fähigkeiten freilich, sagt sein Landsmann Giovane Elber. „Seit Jahren hält er ein phänomenales Niveau. Ich mag ihn sehr, weil er auch ein sehr feiner Mensch ist. Er ist kein abgehobener Junge“, so der Ex-Bayer, „ich denke, auch deshalb schafft er es, so lange in einem Top-Klub zu spielen. Zu meiner Zeit spielte Roberto Carlos auf dieser Position bei Real, der hatte eine ganz andere Aura – aber Marcelo steht ihm sportlich in nichts nach. Er hat keine Star-Allüren und ist sich nie zu schade für die Extra-Meter.“ So hat er auch Alaba hinter sich gelassen, irgendwo im Rückspiegel zeichnet sich der Österreicher ab.
Beim 2:1 am Samstag gegen Leganes schonte Zinedine Zidane seine wichtigsten Kräfte. Cristiano Ronaldo fehlte auf dem Spielberichtsbogen, genauso wie Luka Modric, Toni Kroos kam in der Schlussphase – und auch Marcelo durfte die Füße hochlegen. In der Woche vor dem Finale in der Champions League wird er 30. Da muss man haushalten mit seinen Kräften, gerade wenn man so unermüdlich wie er die Flanke bearbeitet.
2007 verpflichtete Real ihn, als die Spanier Südamerika flächendeckend nach Rohstoff abklopften. Früher suchten sie auf dem Kontinent Gold, heute sind es Fußball-Talente. Aus Argentinien holten sie Gonzalo Higuain und Fernando Gago, aus Brasilien Marcelo. Gago scheiterte, Higuain verlor den Konkurrenzkampf mit Karim Benzema, (war Juventus Turin aber 90 Millionen Euro wert), Marcelo ist noch immer da. Drei Mal schon holte er seither die Champions League. Mit seinem 1:1 in München erhöhte er in der vergangenen Woche die Chancen auf einen vierten Coup enorm. Alaba musste verletzt zuschauen. awe