München – Natürlich wird er beim Rückspiel des FC Bayern in Madrid dabei sein. „Ich fliege doch nicht aus Brasilien nach München und komme dann nicht zu diesem Spiel mit“, sagt Giovane Elber mit einem Lachen. Die letzten Tage war er als Botschafter des Meisters an der Isar eingespannt, „und jetzt lasse ich mir das Spiel nicht entgehen“. Warum der 45-jährige ehemalige Bayern-Profi zuversichtlich ist, sagt er im Interview.
-Herr Elber, wie fällt Ihre Hinspiel-Analyse aus?
Am Donnerstag und Freitag ging es mir nicht gut: Ich hatte das Gefühl, meine Bayern haben in diesem Spiel was ganz Großes verpasst. Seit Samstag geht es mir besser. Die Chancen waren da, Real zu schlagen. Man muss sie nutzen. Und das macht mich auch optimistisch: Sie bekommen auch im Rückspiel Chancen.
-Aber ein 1:2 zuhause ist keine gute Basis.
Ich bin trotzdem sicher, dass Bayern es noch schafft. Die Sache ist noch lange nicht gegessen. Bei Real sehen sie das genauso. Ich habe ein Interview von Zinedine Zidane gelesen, in dem er gesagt hat, dass es gegen Bayern immer schwer sein wird. Am Mittwoch hat sich der Fehler aus dem letzten Jahr wiederholt: Bayern hat das Spiel an Madrid verschenkt. Jetzt muss man da durch. Das Ding kann man drehen. Die wenigen Chancen, die du in Madrid bekommst, musst du dann aber auch eiskalt nutzen. Sonst ist es aus, vorbei, adios.
-Sie selbst wurden mit Ihrem 1:0-Siegtreffer 2001 fast von der Mittellinie aus in Madrid zur Legende.
(lacht) Ja, ein gutes Beispiel, dass du immer alles versuchen musst. Nicht nachdenken, instinktiv deine Chancen nutzen. Damals habe ich nicht lange überlegt, sondern einfach geschossen. Nur so kommst du zum Erfolg.
-Thomas Müller sagte, man brauche im Rückspiel „mehr Killermentalität“.
Da hat er es absolut auf den Punkt gebracht. Gegen Real kriegst du nicht viele Chancen. Leider sollte der Ball am Mittwoch irgendwie nicht ins Tor. Viele sagen jetzt: Für einen FC Bayern, so einen Top-Klub, war das schlecht, da fehlt es an Klasse, wenn du nicht so effizient bist. Ich sehe das anders. Die Wahrheit ist doch auch, dass Real Madrid ein sehr starker Gegner ist. Sie haben Paris St. Germain ausgeschaltet, sie haben Juventus Turin ausgeschaltet – und der FC Bayern hatte sie trotzdem sehr gut im Griff. Es gibt noch alle Chancen.
-Robert Lewandowski wurde kritisiert, weil er wieder mal in einem wichtigen Spiel nicht getroffen hat. Schließen Sie sich an?
Die Kritik an ihm ist viel zu viel. Es ist unfair, das jetzt auf ihn zu reduzieren. Er hat mit Dortmund bewiesen, dass er in Madrid Tore schießen kann. Er wird sich zerreißen. Klar hatte er im Hinspiel nicht seinen besten Tag – aber wo war Cristiano Ronaldo? Er war auch nicht zu sehen, bis auf sein Hand-Tor . . .
- . . . wobei auch in der Situation seine Eiseskälte klar ersichtlich wurde.
Das stimmt. Gott sei Dank war es Hand. Ronaldo ist Ronaldo. Ihn im Griff zu haben, ist eine Illusion. Du darfst ihm keinen Zentimeter Platz geben. Aber noch einmal zurück zu Lewandowski: Es ist ja nicht selbstverständlich, dass du in so einem Spiel ein Tor machst. Die Leute sehen da nicht, wie er arbeitet, wie er Sergio Ramos aus dem Strafraum zieht, um Platz für Müller, James, Thiago zu schaffen. Natürlich geht es im Fußball, gerade bei einem Stürmer, um Tore. Aber Fußball ist auch laufen, arbeiten, andere in Szene setzen. Und das alles hat er ja gemacht.
-Mit dem Ausfall von Arjen Robben fehlte Lewandowski früh ein wichtiger Zuarbeiter, der auch im Rückspiel wohl ausfällt.
Das kommt erschwerend hinzu, ja. Nach Robbens Ausfall lief fast alles Frank Ribery. Das merken die Verteidiger von Real und verschieben sich auf die linke Seite. Damit wird es für Lewandowski schwerer, weil seine Räume einfacher abzudecken sind.
-Jupp Heynckes hat Lewandowski in einem Einzelgespräch auf das Rückspiel eingestimmt.
Jupp macht das sehr gut, das ist seine Stärke, wie er die Spieler führt. Er sagt seinem Spieler dann: „Ich schenke dir Vertrauen, Junge, da geht noch was!“ Im Fußball ist es doch so: Vorgestern warst du noch schwach, wie eine Flasche leer, um es mit Giovanni Trapattoni zu sagen – und morgen bist du der Weltmeister. Mit diesem Bewusstsein musst du nach Madrid fliegen. Das Schlimmste für einen Fußballer ist, wenn er nach einem Spiel sagt: „Ich hätte mehr geben können.“ Du musst ausgepumpt sein, du musst am Boden liegen. Dann kannst du dir nichts vorwerfen. Die Bayern werden alles versuchen.
-Franz Beckenbauer fürchtet einen „Real-Komplex“, weil Madrid seit Jahren regelmäßig Endstation ist. Früher war es umgekehrt: Die Münchner waren die „Bestia negra“, der Angstgegner der Spanier.
Franz darf man nicht widersprechen. Langsam baut sich da etwas auf, ja. Aber die Leute sollen sich jetzt mal nicht täuschen: Die „Bestia negra“ lebt noch, sie hat noch Zähne. FC Bayern gegen Real Madrid, das ist eine der ganz großen Paarungen im internationalen Fußball. Da geht es immer um Kleinigkeiten. Und die kann man erzwingen.
-Ihr Landsmann Rafinha machte beim 1:2 eine schlechte Figur. Soll Bayern mit ihm verlängern?
Ich denke, man sollte ihn behalten. Er ist immer da, wenn man ihn braucht. Spieler wie ihn findest du in einem europäischen Top-Klub selten: Einen, der ruhig bleibt, wenn er nicht spielt und der mithalten kann, wenn er spielt. Der Fehler war blöd, klar, aber auch er wird jetzt nach vorne schauen. Ich werde mich mit ihm in Madrid treffen, vor dem Spiel, und ich werde ihm sagen: „Große Spieler stehen immer wieder auf. Schwache stecken den Kopf in den Sand und wollen nach einem Fehler nichts mehr vom Fußball wissen. Aber du bist nicht so!“ Rafinha ist ein Kämpfer. Er wird aufstehen und in Madrid zeigen, was er kann.
-Auf der Gegenseite schwärmen alle von Marcelo. Was zeichnet ihn aus?
Er ist der beste Linksverteidiger der Welt. Er nimmt sich nicht zu wichtig, ist ein bescheidener Junge geblieben. Ich gönne ihm jeden Erfolg.
-Aber nicht den Einzug in Finale jetzt, oder?
(lacht) Nein, das nicht. Vielleicht nächstes Jahr wieder. Gegen Bayern wünsche ich ihm einen schlechten Tag, das wird er mir verzeihen. Im Hinspiel hat er das 0:1 verschuldet, aber dann das 1:1 gemacht. Da sieht man wieder, wie große Spieler nach Fehlern reagieren.
-Schauen wir noch auf die nächste Saison. Sie haben mit Niko Kovac zusammengespielt. Was erwarten Sie vom neuen Coach?
Ich drücke ihm alle Daumen. Er ist ein junger Trainer, und neue Impulse, frisches Blut tut einem Verein immer gut. Ich weiß, er arbeitet hart. Man darf nicht von ihm erwarten, dass er gleich wie ein Heynckes oder Ottmar Hitzfeld arbeitet. Das wäre unfair. Man muss ihm Zeit geben. Er kennt den Klub, das ist wichtig. Er weiß, mit Frankfurt war es anders – in München ist der Maßstab die Champions League, er hat das als Spieler hier erlebt. Ich habe ihn vor der WM 2014 als Trainer von Kroatien beobachtet, weil es der Auftaktgegner von Brasilien war. Da hat er einen sehr guten Job gemacht. Er kann mit Stars umgehen. Als Spieler war er im zentralen Mittelfeld immer ein Stratege, der das Spiel gelesen hat. Und er hat einen sehr guten Charakter. Ich freue mich auf ihn.
Interview: Andreas Werner