München – Das Derby war schon länger abgepfiffen, der 3:1-Sieg der Bayern-Reserve ebenso amtlich wie die vertagte Regionalliga-Meisterschaft des TSV 1860 – da kamen beide Mannschaften noch mal am Mittelkreis zusammen. Offensichtlich nicht in freundschaftlicher Absicht, etwa um sich die Hände zu schütteln. Sondern um einen letzten Zwist auszutragen, in dessen Zentrum 1860-Profi Timo Gebhart stand, der in der Schlussphase sein Comeback nach achtmonatiger Zwangspause gefeiert hatte.
Was war da los? Gebharts Antwort hatte was von Gerhard Polt und seinem Wiesn-Schwank mit den „acht Metzgern“ , die ein bemitleidenswertes „Zwetschgenmanderl“ mit dem Masskrug maßregeln. Er habe lediglich einen Spieler aus dem gegnerischen Team fragen wollen, „warum der so viel redet und sich nicht aufs Spiel konzentriert“, sagte der Zehner der Löwen mit Unschuldsmiene. Gebhart hatte es so gesehen: „Die Provokationen kamen von dem Anderen. Aber das ist doch normal im Derby.“
Schlimmer aus Sicht der unterlegenen Blauen war die Art und Weise, wie dieses traditionell emotionale Stadt-Duell verlaufen war. „Bayern war in allen Belangen besser“, klagte Einwechselspieler Christian Köppel und sprach eine bittere Wahrheit aus: „Die haben Katz und Maus mit uns gespielt – und wir haben uns nicht gewehrt.“
Auffällig war das vor allem in der ersten Halbzeit, in der die Bayern über die verwaiste linke Löwen-Seite zu einfachen Treffern durch Kwasi Wriedt (19.) und Raphael Obermair (44.) kamen. „Die haben uns hergespielt. Die Körpersprache hat gefehlt. Ich weiß nicht warum, aber es war absolut zu wenig“, moserte Köppel, der mit Recht befand: „So kannst du nicht in einem Derby bestehen.“
In der zweiten Halbzeit – mit Köppel links hinten – stand 1860 stabiler (Andermatt rotierte raus, Steinhart ins Mittelfeld). Daniel Wein gelang per Flachschuss an Freund und Feind vorbei der Anschlusstreffer (65.). Doch selbst die hitzige Schlussphase – mit Handgemengen, Unterbrechungen und Ermahnungen (blaue Fans warfen Bierbecher, rote zündeten Bengalos) – weckte die Löwen unzureichend auf. Die Erstligadebütanten Franck Evina und Niklas Dorsch gaben Bayern neue Energie, Derrick Köhn machte mit dem 3:1 alles klar (88.) – und stürzte den Stadtnachbarn in eine kleine Sinnkrise.
„Vielleicht war das ja noch mal ein Hallo-Wach-Ruf, dass wir uns zusammenreißen müssen, wenn wir noch was reißen wollen in dieser Saison“, sagte Köppel mit Blick auf die weiterhin kaum gefährdete Aufstiegsrelegation (ein Punkt am Samstag in Pipinsried reicht). Trainer Daniel Bierofka pflichtete dem Chefkritiker bei: „Das war in der ersten Halbzeit zu wenig Glaube von uns, alles zu halbherzig – das Anlaufen und die Zweikampfführung.“ Immerhin: „Nach der Pause waren wir besser, etwas bissiger.“
Zufrieden war dagegen der scheidende Bayern-Trainer Tim Walter. „Wir hatten viele Torchancen und durch Positionswechsel Kontrolle über das gesamte Spiel“, sagte der Coach, der wohl zu Holstein Kiel wechseln wird (um dort Markus Anfang zu beerben): „Ich bin richtig stolz, was meine Mannschaft abgeliefert hat. Ich denke auch, dass es ein adäquater Rahmen war.“ Er gab zu, das Derby bewusst mit einigen frechen Aussagen „angeheizt“ zu haben. Und der Anhang der Bayern machte bereitwillig mit. Auf einem Plakat unter der in FCB-Farben geschmückten Stehhalle, sonst das Wohnzimmer der Löwen-Fans, stand: „Dem Stadtmeister zur Ehr’ erstrahlt unsere Kampfbahn im rot-weißen Fahnenmeer.“
Ob es dieses Derby auch in Zukunft geben wird, hängt nun davon ab, wie die Löwen ihre Abreibung verdauen, ob sie in der Lage sind, bis zu den Playoffs gegen Saarbrücken neuen Mut zu schöpfen – beginnend am Samstag in Pipinsried. Hoffnung macht Bierofka das Comeback von Gebhart, der auf Anhieb ein paar schöne Pässe gespielt hat. „Timo ist immer für eine Überraschung gut“, sagte der 1860-Coach: „Er kann mit einer Aktion ein Spiel entscheiden.“ Gestern gelang das noch nicht. Dafür sorgte er dafür, dass beide Teams bis weit nach dem Abpfiff auf Betriebstemperatur blieben.