Ab Freitag: Eishockey-Weltmeisterschaft in Dänemark

Anderes Format, andere Mannschaft

von Redaktion

Von Günter Klein

München – Dieses großartige Foto aus Südkorea ist nun auch als eines der besten Pressefotos ausgezeichnet worden: Wie die deutschen Spieler nach dem Halbfinalsieg gegen Kanada ans Plexiglas klatschen und ihre Mienen von ultimativer Entrücktheit künden. So genau blickte die Kamera in die Gesichter, dass man in Yannic Seidenbergs aufgerissenem Mund sogar die Details des Zahnschutzes erkennen kann.

Ein Bild, das bleiben wird. Genauso wie die Silbermedaille. „Die wird uns niemand mehr nehmen“, sagt Marco Sturm, der Bundestrainer, der Architekt des Eishockey-Wunders. Aber ob diese Geschichte nun so weitergehen, die Mannschaft den nächsten Siegeszug starten wird – das nun eher nicht. Sturm hat das nächste Ziel so formuliert: „Wir wollen in den Top Acht bleiben.“ Die nach Olympia neu errechnete Weltrangliste führt Deutschland auf Platz sieben. Wiederum das Viertelfinale zu erreichen, wie in den Sturm-Amtsjahren 2016 und 17 bereits geschehen, würde in der Fachwelt anerkennend als Erfolg gewertet werden.

Die Weltmeisterschaft wird nicht zu vergleichen sein mit dem Olympia-Turnier. Für die deutsche Auswahl wird sie die in jeder Hinsicht größere Herausforderung.

Da ist zum einen das Format. In Pyeongchang konnte man sich in der Vorrunde (nur vier Teams pro Gruppe) ohne ultimativen Druck warmspielen, erst ab der Qualifikation zum Viertelfinale wurde es ernst. In Dänemark bei der WM herrscht die klare Vorgabe: vier von sieben Gegnern in der Gruppe hinter sich lassen.

Vor allem wird die Weltmeisterschaft viel besser besetzt sein. Olympia hatte ohne einen einzigen der Spieler aus der berühmten NHL stattfinden müssen, die Profiliga unterbrach ihren Betrieb nicht. Nun haben in der NHL die meisten die Saison hinter sich, nur noch acht der 31 Vereine sind in ihren Playoffs beschäftigt. Eine WM in Europa hat grundsätzlich an Bedeutung gewonnen für die NHL-Arbeiter. Einige haben ihre Wurzeln in der Alten Welt, und Kanadier und Amerikaner schätzen die Saisonabschlussreise. Einen WM-Titel nimmt man gerne mit, er ist auch Voraussetzung dafür, in den „Triple Gold Club“ aufgenommen zu werden (gut: Olympiasieg und Stanley-Cup-Gewinn sind die noch härteren Kriterien). Kanada etwa, Vizeweltmeister 2017 (Champion: Schweden), lässt sein All-Star-Team anführen von Connor McDavid, dem besten Scorer der NHL-Saison und – wie die Website zur WM schwärmt – „schnellsten Schlittschuhläufer des Planeten“. Vor allem die sechs immer noch großen Nationen (Kanada, Russland, Schweden, Finnland, Tschechien, USA) werden profitieren von der Verfügbarkeit ihrer NHL-Kräfte.

Auch für die deutsche Mannschaft fällt was ab: Leon Draisaitl ist ein Star (fast) vom Kaliber McDavid, Dennis Seidenberg ein altes Schlachtross und Korbinian Holzer ein zumindest solider Verteidiger. Sturm hätte sie bei Olympia mit Kusshand genommen.

Die drei aus der NHL müssen nun ein team anführen, das mit der Silber-Equipe vom Februar nicht mehr viel gemeinsam hat. Von 25 Spielern sind zehn übrig geblieben. Es gab Rücktritte (Ehrhoff, Goc, Reimer), zahlreiche Absagen für zunächst diese WM, weil die Spieler am Ende dieser Saison die Energie für ein weiteres Turnier nicht mehr aufbringen. Weil durch Olympia auch Spieler, die nur mitgeschwommen waren, Prominenz erlangten, wirkt Marco Sturms WM-Team an vielen Stellen unprominent.

Was aber kein Manko sein muss: Sturm hatte ja auch vor Olympia gesagt, dass es eventuell bessere Spieler als die nominierten gebe. Er hatte die Olympischen Spiele als die Trophäe gesehen, die verdiente Spieler zum Abschluss mitnehmen sollten. Der Umbruch ist unausweichlich, es gibt etablierte Spieler wie den Münchner Patrick Hager und den trotz seiner erst 22 Jahre unverzichtbaren Dominik Kahun, die ihn als Führungskräfte neben den drei NHL-Leuten begleiten werden, doch auch neue Spieler, die der Bundestrainer bevorzugt in den nordamerikanischen Ligen findet: Tiffels, Eisenschmid, Michaelis, Wiederer – genau die Typen, die Marco Sturm braucht für sein Spiel: „Modernes Eishockey, bei dem wir in jeder der drei Zonen aktiv sind.“ Jedenfalls wirkt er kein bisschen unglücklich mit den personellen Entwicklungen der vergangenen Wochen. Und gestattet sich Gelassenheit: „Wir beginnen gegen Dänemark, den Gastgeber. Doch der gewinnt deswegen nicht automatisch.“

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