München – Das deutsche Eishockey hat ein Riesenglück mit Leon Draisaitl, 22. Er ist ein Superstar, er lebt in einer fernen Welt, man sieht ab und zu von ihm einen Sensations-Schnipsel von ihm im Fernsehen. Da zischt er dann über die Eisfläche, fliegt an den Gegnern vorbei, haut die Scheibe ins Netz, und 20 000 Zuschauer werden ekstatisch. Das ist drüben in der NHL, Draisaitl spielt für die Edmonton Oilers, die vor über 30 Jahren durch den Besten aller Zeiten, durch Wayne Gretzky, groß wurden.
Trotz seiner individuellen Erfolge: Leon Draisaitl spielt in einem Team, das noch zu den schwächeren in der NHL gehört (das wird sich ändern mit ihm, mit Connor McDavid und weiteren Toptalenten, die die Oilers bekommen). Edmonton verpasst die Playoffs häufiger als es sich für sie qualifiziert, und wenn, dann scheidet es rechtzeitig aus. Jedenfalls: Die Ausnahmeerscheinung Leon Draisaitl geht ab Freitag bereits in die vierte WM. 2014 noch unter Pat Cortina, 2016 und 17 unter Marco Sturm war Leon Draisaitl bei den WM-Turnieren am Start. Zum Vergleich: Tom Kühnhackl, drei Jahre älter als Draisaitl, hat noch nie kommen können. Er ist bei weitem kein so glanzvoller Spieler, sondern eher der stille Arbeiter – doch steht in Diensten der Pittsburg Penguins. Ein Spitzenclub der NHL.
„Leon ist einer der besten Spieler der Welt, wenn man so ein Paket in den eigenen Reihen hat, kann man sich glücklich schätzen“, meint Bundestrainer Marco Sturm, der – bis Draisaitl kam – der höchstbewertete Deutsche in der NHL war. Er weiß, wie kompliziert es ist, einen wie ihn zu bekommen. Der Verband, also der Deutsche Eishockey-Bund, muss eine Versicherung abschließen, im Fall Draisaitl ist sie teuer: Für acht Jahre hat der Kölner in Edmonton unterschrieben, 68 Millionen Dollar wird er in dieser Zeit verdienen.
Zahlen sind eine Währung für die Klasse, die ein Spieler hat: Der 68-Millionen-Mann. Das klingt wuchtig, nach Fußball-Dimension. Ein deutscher Eishockey-Nationalspieler in der DEL verdient, wenn es hoch kommt, im Jahr 200 000 oder 300 000 Euro.
Draisaitl wird vom DEB auch ein wenig gebauchpinselt. Als er zur WM 2017 kam (frisch nach dem Playoff-Aus mit Edmonton), ließ man ihn erst nach Hause fahren, damit er in Köln bei seiner Mutter den Jetlag wegschläft und gut isst. Und obwohl es andere Kandidaten gegeben hätte, sorgte Marco Sturm dafür, dass Leon Draisaitl am Ende (nach der Viertelfinal-Niederlage gegen Kanada) als bester deutscher Stürmer ausgezeichnet wurde. Symbolisches Dankeschön fürs Kommen.
Dieses Jahr treibt ihn auch das wegen der NHL-Verpflichtungen verpasste Olympia-Turnier dann wenigstens zur WM nach Dänemark. Er hatte geholfen, dass man sich überhaupt qualifizierte (im Herbst 2016 bei einem Turnier in Lettland, da stand es Spitz auf Knopf). Keine Floskel: Er fühlte sich als Bestandteil des Teams, das Deutschland in Pyeongchang vertrat und Silber gewann. Draisaitl freute sich einfach mit denen, die zu Helden wurden: „Das war ein riesiger Erfolg, der so viel bewirkt hat für das deutsche Eishockey, Das hat ein kleines Ausrufezeichen gesetzt. In den sozialen Medien bemerkt man, dass über unseren Sport viel mehr gesprochen wird.“
Seine Aufgabe: Eishockey mit einer guten WM im Gespräch halten. Wer weiß, wann dafür wieder mal Gelegenheit ist. Günter Klein