München – Alexander Zverev schaute ungläubig und blickte hilfesuchend in seine Ecke. Zumindest einen Satz lang. Danach dreht der 21-Jährige an diesem frühen Mittwochabend die Zweitrundenpartie gegen Yannick Hanfmann und steht nach einem 6:7, 6:4 und 6:2 im Viertelfinale der BMW Open. „Ich habe nicht schlecht gespielt, sondern er sehr gut. Es war ein Top-20-Match, vielleicht sogar mehr“, resümierte Zverev später.
In den insgesamt 129 Spielminuten boten zwei Tennisspieler, deren Lebensverläufe nicht unterschiedlicher sein könnten, eine sehr unterhaltsame Partie. Zverev wechselte einst vom Sportgymnasium Heidelberg auf eine Sportschule in Mannheim, um diese nach der zehnten Klasse zu verlassen und sich voll auf Tennis zu konzentrieren. Hanfmann (26) machte Abitur, studierte bis 2015 an der University of Southern California und fand erst spät seinen Weg auf die ATP-Tour.
Dass die beiden in der Weltrangliste 115 Plätze trennen, war anfangs nicht zu spüren. Hanfmann zermürbte die Nummer drei der Welt mit Stopps auf dessen Rückhandseite und sicherte sich den ersten Satz, in einem epischen Tie-Break, mit 14:12. Im zweiten Durchgang schlug Zverev zurück, gewann an Sicherheit, und machte in Satz drei kurzen Prozess. „Er braucht sich in Zukunft keine Gedanken machen, wie er in die zweite Runde eines 250er-Turniers kommt, sondern wie er Turniere gewinnt“, spendete Zverev dem Karlsruher großes Lob.
Auf ihn selbst wartet im Viertelfinale mit Jan-Lennard Struff (28), der gegen Yannick Maden (6:3, 3:6, 6:3) die Oberhand behielt, die nächste innerdeutsche Auseinandersetzung. Im direkten Vergleich führt Zverev mit 4:0, aber die Partien vor einem Jahr in München und vor sechs Wochen in Monte Carlo gingen jeweils über drei Sätze. „Er spielt sehr aggressiv und nimmt die Bälle vielleicht noch ein wenig früher. Ich erwarte nicht das gleiche, aber ein sehr ähnliches Spiel wie gegen Yannik“, sagte Zverev. Struff, der in München nicht von seinem Heimtrainer und Ex-Davis-Cup-Coach Carsten Arriens, sondern ausnahmsweise von seinem Physio- und Fitnesstrainer Uwe Liedtke betreut wird, kündigte an: „Über Alex Qualität brauche ich nichts zu sagen. Aber ich rechne mir natürlich Chancen aus, sonst müsste ich nicht auf den Platz gehen.“
Zverev hat neben seinem Trainer und Vater Alexander Senior, früher russischer Davis-Cup-Spieler, viele Familienvertraute am Aumeister um sich – den älteren Bruder Mischa (30), der heute auf Philipp Kohlschreiber (34) trifft und dazu Mama Irina und seine Oma Nataliya Fateeva, die aus Russland zu Gast ist. Beide im Übrigen auch ehemalige Tennisprofis.
Hanfmann kann da, wie auf dem Platz nicht ganz mithalten. Sein Vater ist Arzt, seine Mutter Lehrerin. Tennis ist für beide nicht mehr als ein Hobby.