Starnberg – Als sich die Branche damit befasste, die Resultate vom ersten Wettkampftag der Segel-Bundesliga zu interpretieren, saß Veit Hemmeter bereits wieder hinter seinem Schreibtisch. Der 31-jährige Steuermann aus dem Bayerischen Yacht-Club konnte nicht ahnen, dass er mit seinem 2. Platz in Friedrichshafen ein kleines Seebeben ausgelöst hatte, das selbst die Seismographen am Starnberger See gewaltig ausschlagen ließ. „Dieses Jahr könnte der Bayerische es packen“, verstieg sich Micki Liebl zu einer kühnen Prophezeiung.
Der Teammanager des Münchner Yacht-Clubs hatte leicht reden. Seine Crew war mit einem 13. Rang vom Bodensee zurückgekehrt, da fielen griffige Zukunftsprognose naturgemäß schwerer. Dem Optimismus seines Amtskollegen, der zu gewissem Maß auch wohlwollendem Wunschdenken entsprach, mochte Maximilian Weiss nicht ganz teilen. „Wir wissen, dass die Saison lang ist“, warnte der Champions-League-Sieger des Deutschen Touring Yacht-Clubs. Trotz einer passablen Vorstellung war seine Crew nur Neunte geworden. Da bringt man sich der erfolgreichen Konkurrenz zumindest verbal gerne nachdrücklich in Erinnerung.
In Lindau, wo Hemmeter ein Startup-Unternehmen führt, war von den atmosphärischen Störungen am Starnberger See kein bisschen zu spüren. Hemmeter fand es „noch zu früh, um über die Meisterschaft zu sprechen“ und übte sich lieber in der Rolle des Mahners. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht großen Druck aufbauen.“
Was Druck ist und wie er sich verarbeiten lässt, weiß kaum jemand besser als er. Als er im vergangenen November noch in Diensten des Lindauer Segel Clubs an den Wannsee kam, stand seine Crew beinahe als Absteiger fest. Aber dann siegte Hemmeter in Berlin und bescherte seinem Verein den Klassenerhalt. „Segel-Bundesliga hängt viel mit der Psyche zusammen“, referiert der trotz seiner jungen Jahre schon abgekochte Segler. Auch in Friedrichshafen erlebte Hemmeter einige knifflige Situationen, er meisterte sie jedoch alle. „Mentale Stärke spielt da eine große Rolle“, verrät er.
Wie stabil er in schlechten Wetterlagen ist, wissen sie im BYC schon lange. Seit 15 Jahren gehört er dem Renommierclub an, aber gesegelt ist Hemmeter in der Bundesliga bisher nur gegen die Bayern. Als er sich am Ende der vergangenen Saison mit den Lindauer Verantwortlichen über den sportlichen Kurs des Clubs nicht einig wurde, nahmen sie ihn im Bayerischen mit Kusshand auf.
Hemmeter ist so etwas wie das Rahmenprogramm des BYC. Er bestreitet den ersten sowie den sechsten und damit letzten Spieltag in diesem Jahr. Vielleicht bindet er eine dicke rote Schleife um diese Saison. „Das hat noch gar nichts zu bedeuten, nur dass wir im Moment nicht unruhig sind“, wehrt sich Ilja Wolf gegen zu große Euphorie nach Rang zwei hinter dem Titelträger Norddeutscher Regatta-Verein.
Mit Hemmeter und seiner Schwester Theresa hat sich der Teamchef des BYC nicht nur seglerische Klasse, sondern auch eine neue Philosophie ins gesamte Team geholt. Der Skipper ist ein bekennender Familienmensch, dem mit seiner 28-jährigen Schwester nicht nur privat eine vertraute Beziehung verbindet. „Mehr als 1000 gemeinsame Segelstunden auf dem Wasser, da weiß man wie die andere Person an Bord denkt“, sagt er. Das Gleiche gilt auch für Maximilian Hibler und Nick Beulke, die er sich bewusst ins Boot geholt hat. „Wir sind privat sehr gut befreundet.“ Und so war für Hemmeter Friedrichshafen ein friedliches Familientreffen mit Freunden, das nur die Welt um ihn herum in große Aufregung versetzte.