Köln – Hasan Salihamidzic versuchte es zunächst mit etwas schwindeln, doch als er merkte, dass selbst er als ausgemachtes Schlitzohr damit nicht weit käme, schaltete er auf Beschwichtigungsmodus um. Als er erst auf den Zwist zwischen Jupp Heynckes und Robert Lewandowski bei der Auswechslung des Bayern-Stürmers während des 3:1 in Köln angesprochen wurde, spielte er kurz den Unwissenden („War da etwas?“), dann aber gab er doch zu, man habe über die Angelegenheit gesprochen. Resultat: „Da ist gar nix, alles in Ordnung.“
Seit gut neun Monaten arbeitet Salihamidzic beim FC Bayern als Sportdirektor, und ob er als glaubwürdiger Seismograph zulässig ist, nun, das darf man zumindest bezweifeln. Wenn er über das Betriebsklima referiert, spricht er stets von guten Jungs, die alles geben und top drauf sind – Probleme hat es beim deutschen Branchenführer in den letzten neun Monaten angeblich nicht gegeben, obwohl da zum Beispiel auch mal eine Trainerentlassung nötig war. Vorausgegangen war, dass die guten Jungs Trikots durch die Gegend pfefferten und öffentliche Brandreden hielten. Es sollte sich keiner vom smarten Sportchef täuschen lassen: Auch das Betriebsklima des FC Bayern ist mal angespannt, und gerade Lewandowskis Eitelkeiten werden in letzter Zeit besonders genau analysiert. Auch wenn sie an der Säbener Straße stur auf seinen bis 2021 datierten Vertrag verweisen, hält sich das Gerücht hartnäckig, dass der 29-Jährige zu Real Madrid will. Und wenn er während eines an und für sich friedlichen Arbeitstages mal wieder den Beleidigten gibt, befeuert er die Spekulationen.
Heynckes spielte den Vorfall herunter, als er nach der Partie zur Pressekonferenz erschien. Bis dahin hatte er sich wieder abgekühlt, denn zuvor hatten die Kameras eingefangen, dass er den Stürmer nach seinem unterlassenen Handschlag ins Gebet gerufen hatte. Im Nachhinein könne er die Aktion seines Angestellten verstehen, sagte er, „aber im Moment der Auswechslung habe ich nicht so lustig reagiert – weil der Boss bin ich“. Auch Lewandowski habe es zu akzeptieren, wenn sein Coach einem wackeren Mitstreiter wie Sandro Wagner noch ein paar Minuten auf dem Rasen gönnt. Nach dem Gespräch habe es der Starstürmer eingesehen, erzählte Heynckes, „und ich war auch mal Torjäger, ich weiß ja selbst gut, wie egoistisch man da denkt“.
Lewandowski ist ein besonders ausgeprägter Egomane, der am Samstag so sauer vom Feld stapfte, weil er auf Europa schielt. Der Ehrgeizling möchte bester Torjäger des Kontinents werden, verriet Heynckes nach dem Gespräch mit dem Polen. Im internationalen Wettschießen steht er damit aktuell in Konkurrenz zu Mohamed Salah (FC Liverpool), Lionel Messi (FC Barcelona) und, ja leicht überraschend in diesem Zusammenhang: Ciro Immobile von Lazio Rom. Über die genauen Motive des Münchners dürfte, damit muss er angesichts der Gerüchte um seine Zukunft leben, wieder einmal spekuliert werden: Will er diesen sehr, sehr, sehr individuellen Titel einfach so, für sein Ego – oder halt doch, weil man mit Europas bester Quote logischerweise europaweit interessant ist?
„Er hat sich geärgert, weil er heute mit zwei, drei Toren heimgehen wollte“, sagte Salihamidzic, „er war sauer auf sich selbst.“ Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, ist Lewandowski ein guter Junge.