„Löw muss Neuer mitnehmen“

von Redaktion

Sepp Maier über die Torwart-Frage, Ulreich als Mann der Saison, Müller als Parade-Bayern und den Lewandowski-Ärger

München – Die WM rückt näher, und Fußball-Deutschland bangt: Wird Manuel Neuer rechtzeitig fit? Sepp Maier, Weltmeister von 1974, erläutert im Interview seine Einschätzungen zur Situation von Bayerns Nummer 1.

-Herr Maier, wird Manuel Neuer zur WM fit?

Die Ärzte und Physios beim FC Bayern und bei der Nationalmannschaft wissen sicher, wie sie es am besten machen. Aber ich bin etwas skeptisch, weil Manuel jetzt auch gegen Köln nicht gespielt hat. Da wäre es doch wirklich um nichts mehr gegangen. Zur WM ist aber auch noch eine Weile hin. Ich würde sagen, Jogi Löw muss ihn auf alle Fälle mitnehmen.

-Wie lange braucht ein Torwart, um sich auf diesem Niveau wieder einzufinden?

Ein, zwei Spiele sollte er schon gemacht haben. Zumal es in der Meisterschaft ja um nichts mehr geht, da könnte er ausprobieren, was möglich ist. Es würden ja 20 Minuten reichen. Da wäre viel geholfen. So ein Mann wie Neuer ist sofort im Spielgeschehen zurück. Wenn du mal Torhüter von Weltformat bist, verlernst du das nicht. Das ist wie Radfahren – wenn du das einmal kannst, kannst du das dein Leben lang.

-Die Zeit wird knapp – und Spiele wie das Pokalfinale sind von sportlichem Höchstwert. Kann man Neuer da aufstellen?

Nein, das würde ich nicht machen. Ohne Jupp Heynckes da reinzureden, aber ich denke, Sven Ulreich hat viel dazu beigetragen, dass der FC Bayern dieses Pokalfinale erreicht hat. Also muss man ihn da spielen lassen. Ich denke, dass Manuel Neuer das auch so sieht. Er ist so ein fairer Sportsmann und sagt sicher: „Du spielst das Finale, ich habe noch genug Zeit.“ Es gibt Testländerspiele und die wochenlange Vorbereitung. Wenn er zu 100 Prozent fit ist, reicht ihm ein Spiel.

-Hätten Sie Sorge, wenn er die WM verpasst?

Es wäre schade, wenn er nicht dabei wäre. Aber Marc-André ter Stegen hat sich toll entwickelt. Auf der Torhüter-Position hat Deutschland noch nie Probleme gehabt.

-Wie sehr haben Sie mit Ulreich mitgelitten, als ihm in Madrid dieses Missgeschick zum 1:2 passiert ist?

Warum? Was ist ihm denn passiert? Der Corentin Tolisso war doch der Schuldige! Was haben Sie mit Ulreich? Er hat eine super Saison gespielt, hat Neuer hervorragend vertreten und konnte in Madrid nichts für das 1:2. Tolisso spielt den Ball quer in den Strafraum – normal spielt man steil zurück, er spielt ihn durch die ganzen Spieler durch. Was soll da der Ulreich noch machen?

-Die deutschen Fußball-Fans haben in einer Umfrage dafür plädiert, Ulreich mit zur WM zu nehmen.

Das sage ich seit Wochen. Ulreich ist diese Saison der beste Torwart der Liga. Und so, wie ich mich erinnern kann, war es früher so und ist es auch heute, dass nur die Besten zu einer WM fahren. Da gehört er dazu. Was er gehalten hat, war sensationell. Und es ist nicht leicht, einfach den Neuer zu vertreten. In der Champions League und bei allem drum und dran, dem Druck in München. Ulreich ist der Mann der Saison.

-Wie sehen Sie generell die deutschen Chancen bei der WM in Russland?

Deutschland hat eine große Chance, den Titel zu verteidigen. Die Spanier sind sehr gut, die Franzosen sind stark. Argentinien schätze ich gut ein, bei Brasilien bin ich mir nicht so sicher. Und ich warne auch vor unserem Gruppengegner Mexiko. Die deutsche Mannschaft ist aber wirklich sehr gut. Neulich bei der Niederlage gegen Brasilien war das keine Top-Besetzung, das darf man also nicht überbewerten. Das Plus ist, dass noch viele Stützen der WM 2014 dabei sind.

-Wenn Neuer ausfällt, ist von der alten Achse aber wenig übrig: Jerome Boateng muss erst fit werden, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger Lukas Podolski und Per Mertesacker haben abgedankt.

Aber vor einer WM heißt es doch immer: Da und da sind Probleme. Und dann hat Deutschland doch immer eine super Turniermannschaft.

-Und auf Thomas Müller ist wieder Verlass, rechtzeitig vor einer WM kommt er in Schwung.

Auf den ist immer Verlass. Logisch. Er ruht sich eine Weile aus, und wenn es darauf ankommt, packt er es an. Das ist typisch bayerisch: Erst Gemütlichkeit, und dann wird zugelangt. Es ist auch der Verdienst von Heynckes, dass er wieder so stark geworden ist.

-Wie sehen Sie den Ärger um Robert Lewandowski, weil er Heynckes am Samstag in Köln nicht abgeklatscht hat?

Wie: Abgeklatscht?

-Er verweigerte bei der Auswechslung den Handschlag mit dem Trainer.

Ach, ja mei. Vielleicht wollte er nicht raus, was weiß ich. Hat er es halt vergessen.

-Er war wohl sauer, weil er noch ein paar Tore schießen wollte.

Ja, die hätte er mal lieber gegen Madrid schießen sollen und nicht gegen einen 1. FC Köln, der schon abgestiegen war. Wo war er denn in den zwei Spielen gegen Real Madrid? Kein Mensch hat ihn gesehen! Das waren die zwei schwächsten Spiele von ihm, seit er beim FC Bayern ist. Da ist er in der Bringschuld. Er ist ein ausgezeichneter Fußballer, aber wenn es um etwas geht, muss er Tore schießen. Das hat er gegen Real nicht geschafft.

-Werden die Mitspieler bei solchen Aktionen wie am Samstag skeptisch, was seine Integrität betrifft?

Nein. Das sollte man alles nicht so ernst nehmen. Abklatschen oder nicht abklatschen – das hat es bei uns früher gar nicht gegeben. Wenn du rausgehst, darfst du mal sauer sein. Das gehört dazu und fertig.

-Was trauen Sie Niko Kovac bei Bayern als Nachfolger von Heynckes zu?

Er wird halt nicht mit 24 Punkten Vorsprung Meister, sondern mit 16.

-Weil Trainer dieses FC Bayern zu sein so leicht ist?

(lacht) Oh, nein, einfach ist es nicht. Aber er kennt den Club. Sicher ist das Level in München ganz oben. Die Meisterschaft ist Pflicht. Aber Heynckes hat es ihm vorgemacht: Wenn man sich mit der Mannschaft versteht, läuft alles rund. Sogar die Champions League wäre ja drin gewesen. Bayern war in beiden Spielen gegen Real Madrid das bessere Team.

-Braucht der FC Bayern nicht große Transfers, um mithalten zu können?

Sie meinen einen Neymar für 350 Millionen Euro? So blöd ist der Uli Hoeneß nicht.

Interview: Andreas Werner

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