Bierduschen aus der Mode

von Redaktion

Bei Bayerns Meisterfeier schwingt auch die Frage mit, inwieweit dieses Team zukunftsfähig ist

VON ANDREAS WERNER

München – Das peinliche 1:4 gegen den VfB Stuttgart war längst abgepfiffen, da hatten die Fans endlich Grund, ihre Bayern-Stars zu bejubeln. Als Hermann Gerland die Beine in die Hand nahm, um einer Bierdusche von Thomas Müller zu entwischen, johlte das Volk auf den Rängen wie früher in den Arenen des antiken Rom. Es ging freilich wesentlich unblutiger zu, doch auch der Co-Trainer stapfte nach der Hatz humpelnd in die Katakomben: Eine Zerrung. Erfreut war der „Tiger“ nicht.

„Er hat Haken geschlagen wie ein Hase – aber halt wie ein etwas älterer Hase“, witzelte Müller später ohne erkennbare Reue. Spitze Zungen könnten anmerken, dass der Nationalspieler seinen 35 Jahre älteren Mentor erst zu stellen wusste, als dieser direkt in die Pranken des Hünen Sandro Wagner gelaufen war. Am Samstag waren die Münchner schlecht bei Puste, nicht nur der Co-Trainer, und so gab die Tigerjagd Anlass zum Grübeln: Schon länger besteht der Verdacht, Augenzeuge von Haken wie bei einem älteren Hasen zu sein. Ist Bayern bereit, in den nächsten Jahren auf internationale Großwildjagd zu gehen?

Müller amüsieren „Haken eines älteren Hasen“

Wenn am Samstag beim Pokal-Finale in Berlin gegen Frankfurt der letzte Vorhang dieser Saison fällt, ist der Abschied von Jupp Heynckes sicherlich die größte Zäsur. Bei der mauen Meisterfeier auf dem Rasen winkten aber auch Männer wie Franck Ribery und Arjen Robben den Fans; verdiente Kräfte fraglos, aber weniger Garanten einer erfolgreichen Zukunft als Helden der Vergangenheit. Arturo Vidal hatte eine unhandliche Schiene um sein Bein geschnürt, Manuel Neuer gefiel sich als listiger Verteiler von Bierduschen – doch auch bei ihm ist die Zukunft ein Fragezeichen. Vieles am Samstag wirkte wie eine Hommage an die alten Zeiten, an eine Abschlussparty. Stilbildend hierfür ein Zitat von Heynckes: „Ich denke, dass die Aktion Bierdusche überholt ist.“

Nicht nur sie.

Die höchste Heimniederlage seit dem 2:5 gegen Bremen im September 2007 hakten die Bayern dennoch zurecht als „Betriebsunfall“ ab, wie Müller meinte. Er würde vorschlagen, diese Partie „nicht in die Saisonwertung einfließen zu lassen“. Prinzipiell haben die Bayern eine bemerkenswerte Spielzeit hingelegt: 21 Punkte voraus, das Double im Blick, und auch der Champions League-Titel war drin. Dieses 1:4 werde vergessen sein, wenn man am Samstag den Pokal holt, sagte Sven Ulreich ganz richtig, „wir müssen da fokussiert sein, Frankfurt ist eklig. Aber wenn wir das Double schaffen, war es eine sehr gute Saison.“ Die Fans zitierten den Torwart nach der Partie an den Zaun, das freute ihn, sagte er: „Es ist eine Ehre. Es war für mich persönlich wichtig, zu zeigen, dass eine Meisterschaft auch mit mir funktioniert.“

Hip-Hop-Star Wyclef Jean im Hummels-Trikot

Abends ließen es die Bayern am renovierten Nockherberg krachen – ohne das Pokal-Finale aus den Augen zu verlieren. Den 1000 Fans im Biergarten winkten sie vom Balkon zu, dann tafelten sie meisterwürdig: Brotzeitbrettl, Garnelen-Mezzalune mit Limetten-Hummer, Filet vom Rind mit Trüffel-Mousseline und Schrobenhausener Spargel. Um Mitternacht trat der Hip-Hopper Wyclef Jean auf, im Trikot von Mats Hummels mit der Nummer 5. Das Original feierte übrigens dosiert, er hat sich am Fuß verletzt.

Heynckes genoss die Party an der Seite seiner Gattin Iris, es war ein Festtag nach seinem Geschmack, auch weil er den Weißbierduschen entgangen war. Als die Blödelei begann, hatte er sich längst in die Kabine geflüchtet. „Er ist halt ein Fuchs, auf der Bank wie bei Bierduschen“, sagte Ulreich. Sogar Gerland kann sich da noch was abschauen.

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