Einen Schritt vor dem Abgrund

von Redaktion

FC Bayern verspielt in einem kuriosen dritten Viertelfinale ein 19-Punkte-Polster – In Frankfurt ist nun ein Sieg Pflicht

VON Patrick Reichelt

München – In den Minuten danach war im Audi Dome die Zeit der merkwürdigen Prognosen gekommen. Alex King etwa sah dem weiteren Verlauf dieser Playoff-Serie gegen die Frankfurt Skyliners mit einem Lächeln entgegen. „Ich bin total zuversichtlich“, sagte der Forward der Basketballer des FC Bayern, „denn die Frankfurter haben jetzt den Druck, daheim gewinnen zu müssen.“

Das Dumme daran ist nur: King und seine Münchner müssen ihrerseits nun gleich zweimal in Folge gewinnen. Seit dem 83:86 (39:25) im dritten Duell am Samstagabend ist jedenfalls klar: Die Saison des Pokalsiegers könnte historisch früh zu Ende gehen. Seit Einführung der Playoffs 1986 stolperten nur zwei Hauptrundenchampions (Berlin 2007, Oldenburg 2010) in Runde eins. Die Bayern könnten schon morgen (19.00 Uhr) in Frankfurt der unrühmliche Dritte sein.

Und auch wenn die Entscheidung am Samstag vor 6018 Zuschauern erst in den Schlusssekunden fiel – die Gäste aus Hessen dürfen hoch verdient an der Überraschung gegen den Titelfavoriten schnuppern. In Halbzeit zwei nahmen die Skyliners dem FC Bayern einen 19-Punkte-Vorsprung (44:25) aus den Händen, ehe einmal mehr BBL-Topscorer Phil Scrubb seinem Team von der Dreierlinie den Matchball in dieser Viertelfinalserie sicherte. Und das ohne die Rückendeckung seines Trainers. Gordon Herbert hatte zur Halbzeit so ausdauernd gegen die Unparteiischen gewütet, bis die ihn mit zwei Technischen Fouls aus dem Spiel nahmen. Assistent Klaus Perwas übernahm und wurde Zeuge einer schwer fassbaren Wende, mit der er sich lieber nicht in Verbindung sehen wollte: „An mir lag das nicht.“

Eine Halbzeit lang hatten die Bayern die Partie dank einer starken Defensive fest in den Händen gehabt. „Die beste Leistung, seit ich hier bin“, wie Trainer Dejan Radonjic befand. Doch was folgte, war eben „leider die schlechteste Leistung“. Es brauchte in der tat nicht viel, um seine Mannschaft aus dem Tritt zu bringen. Frankfurt ließ den Ball ein bisschen schneller rotieren und fand seine Distanzschützen. Alleine Shawn Huff setzte binnen von nicht einmal zwei Minuten drei Dreier ins Ziel. Und das machte merklich Eindruck auf den Favoriten. Innerhalb nicht einmal fünf Minuten war das so schöne Polster der Münchner dahin.

Wobei den Bayern an diesem Abend dann auch fast slapstickhafte Pannen unterliefen. Nihad Djedovic rauschte bei einem Rettungsversuch in die Sitzreihen und fand sich auf dem Schoß eines Fans wieder. Devin Booker hämmerte einen Passversuch gegen das Brett, und schließlich dribbelte sich der an diesem Abend ohnehin schwer indisponierte Stefan Jovic den Ball auch noch unbedrängt auf den Fuß.

Einbrüche wie am Samstag hatte es ja gelegentlich in dieser Spielzeit. Im Eurocup-Halbfinale bei Darüssafaka Istanbul gaben die Bayern Vergleichbares aus der Hand. Eines von vielen Details, das die Macher letztlich Ex-Trainer Sasa Djordjevic ankreideten. So viel ist nun klar: Nachfolger Dejan Radonjic hat das Nervenkostüm der Münchner Profis in den knapp sechs Wochen im Amt nicht eben stärken können.

Überhaupt entpuppt sich die Idee, dass mit dem Montenegriner alles besser werden könnte , zunehmend als kapitale Fehleinschätzung. Defensiv sind die Bayern im Mai genauso wackelig wie zuvor. In der Offensive fehlen Esprit und Leichtigkeit – wo man über weite Strecken der Saison als Team funktionierte, verstricken sich die verunsichert wirkenden Münchner Profis nun allzu oft in Einzelaktionen.

Und gerade in kritischen Momenten ist auch im Basketball ein Coach gefragt. Doch welch große Schwierigkeiten Radonjic hat, sein Team zu erreichen, das ist vor allem in den Auszeiten auch nach außen erkennbar. Der 48-Jährige steht meist hadernd abseits. Im ersten Viertelfinale eine Woche zuvor gab es eine vielsagende Szene. Als die Unparteiischen die Partie für einen Videobeweis unterbrachen, scharten sich die Frankfurter eilends um Trainer Gordon Herbert. Die Bayern aber berieten sich derweil in der Feldmitte alleine.

Es wird eine interessante Frage, ob die mit dem Rücken zur Wand stehenden Münchner nun auch unter diesen Voraussetzungen eine entsprechende Reaktion zeigen können. Eine gute Nachricht scheint es auf dem Weg dorthin ja zu geben. Der unermüdliche Vladimir Lucic, der am Samstag wegen seiner Schulterblessur passen musste, kann in Frankfurt wohl wieder eingreifen. Zweifel an den Voraussetzungen für eine Wende will zumindest Alex King auch so noch keine sehen. „Ich glaube immer noch, dass wir das bessere Team sind“, sagte er, „wir müssen es nur zeigen.“ Na eben.

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