Ein 4:1 in einem entscheidenden Spiel kurz vor Saisonende ist eine Ansage, die sich nicht so leicht toppen lässt. Es sei denn, man legt am letzten Spieltag einen 6:2-Auswärtsieg drauf. 10:3 Tore in zwei Partien, in denen der Ertrag des gesamten Jahres auf dem Spiel steht, sind dann aber wirklich ein eindeutiges Statement. Sollte man meinen.
Bei RB Leipzig ist nun Bilanz gezogen worden, und der fulminante Schlussspurt scheint die Bosse nur mäßig beeindruckt oder gar besänftigt zu haben. An anderen Standorten wäre man im zweiten Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit hochzufrieden mit Tabellenplatz sechs, aber bekanntlich ist Leipzig kein normaler Klub. Hier hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten eine Gefühlslage entwickelt, die selbst nach den strengen Regeln des Hochleistungssports irritiert. Ralph Hasenhüttl, dem Trainer, ist dieses eisige Klima zum Verhängnis geworden. Dass er es nun war, der die Trennung einleitete, spielt fast keine Rolle. Gegangen ist er vor allem, weil es keine gemeinsame Perspektive mehr gab.
Man muss sich als Beinahe-Frischling nicht mit dem Klassenerhalt begnügen, aber unter Berücksichtigung aller Umstände – dem Abflauen der Premieren-Euphorie, der Doppelbelastung durch die Champions League, Transfer-Begehrlichkeiten anderer Clubs, vielen Verletzten – hat Hasenhüttl die Saison nah am Maximum abgeschlossen. Er hat die Mannschaft souverän, authentisch und – in Leipzig keine Selbstverständlichkeit – grundsympathisch geleitet, in schwierigen Zeiten kein Hehl aus seiner Mühsal gemacht und am Ende doch immer wieder Lösungen gefunden, ohne einen sichtbaren Eindruck von Überforderung. Selbst eine epische Abwehrkrise bekam er letztlich in den Griff.
Der ganze Verein lernt gerade erst den Umgang mit Erfolg und seine Bewahrung. Rückschläge sind unausweichlich, aber im sächsischen Businessplan anscheinend nicht vorgesehen. Dabei würde sich ein Blick auf die Konkurrenz lohnen. Selbst das Schwergewicht Borussia Dortmund ist verwundbar und hat soeben ein Katastrophenjahr beendet (das etliche Vereine so aber gerne erleben würden). Noch anschaulicher ist das Beispiel Hoffenheim. Auch dort ist ein Trainer, der zuvor steil aufgestiegen war, ins Gerede gekommen und manchmal auch ins Schlingern. Als es aber ungemütlich wurde, drang aus der Führungsetage kein Signal des Zweifels an Julian Nagelsmann nach außen. Heute steht die TSG exzellent da und ihr Trainer gestärkt und gewachsen.
Es hätte triftige Gründe gegeben, Hasenhüttl ein prima Zeugnis und einen neuen Vertrag auszustellen. Doch das half dem Österreicher nicht mehr. RB wird nächste Saison in der Europa League spielen, nicht im Sehnsuchtswettbewerb Champions League. Nur die zählt für den Brausekonzern im Hintergrund, für den selbst der anspruchsvollste Sport immer ein Mittel zum Marketingzweck ist. Der Trainer hat richtig gute Arbeit geleistet. Gut war in seinem Fall aber nicht gut genug.