Rücktritt mit Donner

von Redaktion

Größter DFB-Krach seit Ballack/Frings

Von Günter Klein

München – „Wenn ihr mich in den kommenden Wochen sucht – ich bin bei Jogi.“ So verabschiedete sich Sandro Wagner nach dem 34. Spieltag von den Journalisten in den Sommer. So war das vor einem Jahr, in Sinsheim. Sandro Wagner von der TSG Hoffenheim war ein glücklicher Fußballer. Im reifen Alter hatte er die Karriere in Schwung gebracht, er war mehr als ein Spruchbeutel („Bester Stürmer in Deutschland“), zeigte Leistung – und das brachte ihn in den Nationalmannschaftskader für den Confederations Cup.

Ob ihm dieser Wagner nicht ein zu schwieriger Typ sei, wurde Joachim Löw gefragt. Finde er überhaupt nicht, meinte der Bundestrainer. Die beiden schienen bestens miteinander klarzukommen, Wagner akzeptierte, dass er beim Turnier 2017 in Russland nur wenig Einsätze bekam, er genoss die Zeit, spazierte entspannt die Strandpromenade von Sotschi entlang und gab sich integrativ, als Teamplayer: „Ich werde Timo Werner nicht das Shampoo vom Zimmer klauen.“ Der Leipziger war damals sein Konkurrent um den Platz als vorderster Stürmer.

Nach der WM-Nominierung stehen aber auch Mario Gomez und Nils Petersen in der Hierarchie vor Wagner. Dabei hatte der sich nach seinem Winterwechsel zum FC Bayern als sicherer WM-Fahrer gefühlt. Er machte seine Tore – und: Bayern-Spieler streicht man als Bundestrainer nicht. Löw tat es dennoch. Folge: Rücktrittserklärung von Sandro Wagner via Bild-Zeitung. „Für mich ist es klar, dass ich mit meiner Art, immer offen, ehrlich und direkt Dinge anzusprechen, anscheinend nicht mit dem Trainerteam zusammenpasse.“

Rücktritt mit Theaterdonner – hat es im Nationalteam ewig nicht mehr gegeben. Die großen Fälle der deutschen Fußballgeschichte waren: Gerd Müller und Paul Breitner 1974 – beleidigt, weil die Ehefrauen nicht mit aufs WM-Bankett durften (Breitner kehrte später zurück, zweimal sogar). Bernd Schuster 1984 – beließ es nach Dauerzoff mit Bundestrainer Derwall und dem DFB bei 21 Länderspielen; er war erst 24. Stefan Effenberg, 1994 nach einer obszönen Geste bei der WM heimgeschickt, erklärte 1998 nach einem Comeback-Versuch bei einem Turnier auf Malta, dass ihm die Vereinskarriere wichtiger sei.

Die wenigen offiziellen Rücktritte seitdem gerieten zu feierlichen Akten (Lahm, Mertesacker, Klose, Schweinsteiger, Podolski). Mit Michael Ballack und Torsten Frings hatte Joachim Löw Streit, doch keiner trat offiziell zurück. Auch der geschasste Kevin Kuranyi hätte eine Einladung angenommen – wenn Löw sie ausgesprochen hätte. Stefan Kießling beklagte mangelhafte Kommunikation, vermied aber die Konsequenz daraus. Auch Max Kruse nahm die Nichtmehrberücksichtigung still hin.

Joachim Löw sagt: „Mein Job ist es leider auch, Träume platzen zu lassen und harte Entscheidungen zu treffen.“

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