„Wir schulden Jupp das Double“

von Redaktion

Rummenigge über das Pokalfinale, die Planlosigkeit der DFL und den Wunsch nach Konkurrenz

München – Während auf den Geschäftsstellen von 16 Bundesligisten Urlaubszeit ist, geht es an der Säbener Straße in dieser Woche noch mal hoch her. Die letzten Arbeitstage von Jupp Heynckes, das Pokalfinale, Planungen für die neue Saison– trotzdem nimmt sich Karl-Heinz Rummenigge (62) viel Zeit für unser Interview. In 60 Minuten spricht der Vorstandsvorsitzende über seinen FC Bayern, richtet den Blick aber auch auf den Fußball in Deutschland und darüber hinaus.

-Herr Rummenigge, Hand aufs Herz: Wie lang hielt der Meister-Kater an?

Es war die beste Party, die ich beim FC Bayern seit langem erlebt habe. Es wurde sehr spät auf dem Nockherberg.

-Wie spät wurde es?

(schmunzelt) Ich glaube, Franck Ribery hat irgendwann den Laden zugesperrt.

-Welchen Stellenwert hat die sechste Deutsche Meisterschaft in Folge?

Einen großen. Bei 34 Spieltagen spielen Glück, Pech oder Schiedsrichterentscheidungen überhaupt keine Rolle. In diesem Moment freuen wir uns besonders, dass wir mit dem sechsten Titel in Folge einen fast unglaublichen Bundesligarekord geschafft haben.

-Ärgern Sie Diskussionen um die Langeweile in der Bundesliga, um Play-Off-Modelle, um künstlichen Wettbewerb?

Ehrlich gesagt, der FC Bayern würde sich auch wieder mehr Konkurrenz wünschen, aber wenn Sie schon die Bundesliga ansprechen, dann sollten wir darüber sprechen, was heute grundsätzlich fehlt.

-Und das wäre?

Mir fehlen bei der DFL ein Stück weit Vision und Plan in der Entwicklung der Bundesliga. Die Bundesliga ist in diesem Jahr im UEFA-Ranking auf Platz vier abgerutscht. Fallen wir noch ein Platz tiefer, kostet uns das zwei direkte Startplätze in der Champions League. Die DFL muss kritisch hinterfragen, was sie im modernen und globalen Fußball sein möchte. Bisher lag der Fokus nahezu ausschließlich auf der TV-Vermarktung. Doch schon bei der Verteilung der Einnahmen auf die Vereine der Bundesliga und der Zweiten Liga herrscht in meiner Wahrnehmung das falsche Leitbild. Wir können nicht mit der Gießkanne glücklich machen, sondern wir müssen uns fragen: Was muss passieren, dass die Bundesliga mit der Premier League in England, mit La Liga in Spanien und der wieder aufstrebenden Serie A der Italiener mithalten kann. Ich hinterfrage deshalb die Struktur der DFL. Die Bundesliga braucht eine in die Zukunft gerichtete und innovative Fußballstruktur.

-Können Sie das etwas konkreter erläutern?

Die DFL in ihrer aktuellen Struktur gleicht einem Verband. Und Verbände besitzen für mich im Club-Fußball längst keinen Vorbildcharakter mehr. Ich habe den Eindruck, dass das in England und Spanien, deren Ligen die Benchmark gegenwärtig bilden, schon vor Jahren effektiver und besser ausbalanciert wurde. Beide Ligen sind durch starke Persönlichkeiten, die Herren Scudamore und Tebas, an der Spitze vertreten, und ich kann mir gut vorstellen, dass Christian Seifert durchaus der starke Kopf der Bundesliga werden kann.

-Ist der FC Bayern besonders in der Pflicht, eine Revolution anzustoßen?

Ich mache mir Gedanken um den deutschen Fußball, weil ich besorgt bin. Es ist wohl kein Zufall, dass Deutschland im Moment international an Standing verloren hat.

-Sie sprechen explizit über die Belange der Bundesliga. Geht es Ihnen nur um den Spitzenfußball?

Auch wenn es die Bundesliga geschafft hat, das Thema Solidarität in den deutschen Spitzenfußball zu inkludieren, so ist es die Elite, die für das Wohl und Wehe der Bundesliga zuständig ist – national, aber speziell auch international. Deshalb braucht die Bundesliga ein starkes Dortmund, Schalke, Leverkusen, Leipzig oder Hoffenheim. Es ist auf Dauer schlecht, wenn nur immer einer vorneweg marschiert. Der Trend zum Front-Runner lässt sich auch in England, Spanien, Frankreich und Italien beobachten. Fußball muss emotional bleiben.

-Was für eine Rolle spielt die 50+1-Regel bei der Entwicklung einer modernen Ligastruktur?

Wenn ich ehrlich bin, interessiert mich 50+1 relativ wenig. Der FC Bayern hat ein Statut, das weit darüber hinaus geht, bei uns gilt quasi 70+1. Aber bei einigen Erstligisten könnte mehr Qualität und insgesamt damit in der Bundesliga auch mehr Konkurrenzkampf entstehen. Daran muss der deutsche Fußball grundsätzliches Interesse haben – stattdessen werden Ängste geschürt.

-Wie sollte 50+1 modernisiert werden?

Ich finde den Ansatz von Eintracht Frankfurt gut, dass man es den Bundesliga-Clubs überlässt, ihnen aber gleichzeitig Leitplanken vorgibt. Ich verlange vor allem eines: Die Bundesliga muss da eine eigene Meinung haben, darf sich in so einer elementaren Frage nicht von einem Zweitligisten leiten, überrumpeln lassen.

-Wer könnte Nutznießer einer Änderung sein?

Der FC Bayern nicht. Aber Clubs, die im Moment so eine Semi-Rolle spielen: Bremen, Hannover, noch weitere. Man vergisst ja auch immer, dass wir in Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig bereits vier Clubs haben, die nicht mehr unter reinen 50+1-Bedingungen spielen. Nüchtern betrachtet hat es der Liga nicht geschadet.

-Auch im internationalen Fußball wird gerade viel über Reformen diskutiert. Was halten Sie von einer Ausweitung der Club-WM auf 24 Teams?

Die FIFA hat sieben große Clubs, darunter auch den FC Bayern, zu einem informellen Meeting nach Zürich eingeladen. Die FIFA wollte erfahren, wie die Clubs das gegenwärtige Format der Club-WM beurteilen. Darüber hinaus wurde uns eine mögliche Reform dieses Wettbewerbs vorgestellt.

-Das heißt: Es besteht Reformbedarf?

Das aktuelle Format ist tatsächlich nicht mehr attraktiv, die Distribution ist uninteressant, und der Zeitpunkt kurz vor Weihnachten stößt nicht mehr auf sehr viel Gegenliebe. Die Pläne der FIFA sehen vor, dass die Club-WM alle vier Jahre im Juni veranstaltet würde, anstelle des Confed Cups, der abgeschafft wird.

-Real Madrid unterstützt die Pläne bereits.

Mein Eindruck ist, dass von den Clubs, die in Zürich waren, generelles Interesse an einer Reform besteht. Wichtig ist jetzt, dass die Clubs gemeinsam mit der UEFA und der FIFA eine harmonische und loyale Lösung anstreben.

-UEFA-Präsident Aleksander Ceferin ist von den Plänen nicht begeistert.

Ich glaube, Ceferin sieht gegenwärtig das Prozedere der FIFA kritisch. Es müssen hier auch Fragen beantwortet werden. Aber ich möchte noch mal betonen, was ich bei meiner Abschiedsrede als Chairman der ECA im vergangenen Jahr gesagt habe: Wenn FIFA, UEFA und die Clubs ein harmonisches, loyales Miteinander pflegen, ist diese Fußball-Welt hervorragend aufgestellt. Mein Vorschlag wäre, dass sich diese drei Parteien an einen Tisch setzen und ergebnisoffen eine Lösung suchen.

-Kritisch wird das Angebot über 25 Milliarden Dollar gesehen, von einem Investoren-Pool, der sehr undurchsichtig ist. Geht es FIFA-Chef Gianni Infantino in erster Linie nur um das große Geld als Wahlhelfer für die Abstimmung 2019?

Mir ist gegenwärtig nicht bekannt, wer in diesem Pool vertreten ist. Der FIFA-Präsident hat offenbar eine Vertraulichkeit zugesichert.

-Wo wir bei Weltmeisterschaften sind: Wie sehen Sie die Erweiterung der WM auf 48 Teams?

1966, bei der ersten WM, an der Franz Beckenbauer teilnahm, waren 16 Teams vertreten. An meiner letzter WM, 1986, nahmen 24 Nationen teil. 2026 werden wir ein Starterfeld von 48 Auswahlmannschaften haben. Die gleiche Entwicklung können Sie bei der EM beobachten. Ich habe 1980 noch eine EM mit acht Teams gespielt, heute sind es 24. Es kann nicht sein, dass die Nationalmannschaften immer mehr Platz in diesem Kalender einnehmen. Es geht hier exklusiv ums Geld. Die Verbände haben sich zu Vermarktungsmaschinen entwickelt. Uns Clubs wird immer vorgeworfen, hinter dem Geld her zu sein. Aber wir haben Spieler, die wir hoch zu bezahlen haben. Gehen Sie mal zu einer Mietwagenfirma und leihen sich ein Auto umsonst. Und dann bringen Sie es auch noch mit Dellen zurück.

-Vor der WM in Russland steht noch das Pokalfinale an. Hat es noch einen erheblichen Einfluss auf die Saisonbilanz des FC Bayern?

Ja, da bin ich ehrlich. Das ist ein Titel, den wir jetzt unbedingt noch haben möchten. Weil sich das Wort Double gut anhört, und weil wir das unserem Trainer schuldig sind. Jupp Heynckes hat sich ein Jahr unglaublich reingehauen. Ich weiß, dass er diesen Titel unbedingt will. Wie wir alle wäre er gerne noch zum Champions League-Finale nach Kiew gefahren, aber gerade weil es gegen Madrid so unglücklich gelaufen ist, müssen wir dafür sorgen, dass er jetzt diesen Pokal noch in den Händen hält.

Lesen Sie auf der nächsten Seite Teil II:

Rummenigge über die Bayern der Zukunft, Niko Kovac, die Gerüchte um Robert Lewandowski und fette Jahre.

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