Es hat im Leistungssport eine tiefgreifende, aber stillschweigende Entwicklung gegeben: Unsere Spitzenkräfte, unsere Stars – sie schwitzen nicht mehr.
Das hat man etwa bei den zahlreichen Eishockey-Übertragungen verfolgen können. Dort gibt es Drittelpauseninterviews, zu denen der Spieler seinen Helm abnimmt und sich ein Headset aufsetzt. Die ganze Saison hat man auf keiner Spielerstirn auch nur einen Tropfen Schweiß glitzern sehen. Es muss auch kein Spieler schnaufen. Sie könnten auch aus dem Büro kommen statt vom Eis, wo sie sich mit dem Gegner in Power-Intervallen bekriegt haben.
Und Fußball: Pressekonferenz im Trainingslager in Eppan ist immer direkt nach der Übungseinheit. Da möchte man meinen, nach getaner Arbeit – eineinhalb Stunden in der prallen 25+-Grad-Sonne – müssten die Leiber nur so triefen von Stoffen, die der Körper nach außen abgibt. Doch nichts zu sehen davon. Nils Petersen ist gut frisiert wie zur Erstkommunion oder Konfirmation, Leon Goretzka hat die Blässe eines E-Sportlers (und nicht mal ansatzweise gerötete Wangen), Sami Khedira sieht jederzeit so aus, als sei er vorbereitet aufs Shooting für den Versace-Katalog.
Strengt der Sport die Sportler denn gar nicht mehr an? Oder saugen die High-Tech-Trikots alles weg? Das ist doch unnatürlich.
Darum hat der Berichterstatter dieser Zeitung sich zu einem Gegenprogramm durchgerungen. Schwitzen in seiner brachialsten Form (damit das wenigstens ein Deutscher hier mal tut)! Nachmittags, wenn es am heißesten ist, mit dem Rennrad den Berg hochfahren. Ideal: der Mendelpass. Von Eppan 1000 Höhenmeter, Kehre um Kehre, Giro-Feeling (es ist sogar auf die Straße gepinselt, wie viele Kilometer es noch bis zum höchsten Punkt sind). Die Säfte treibt es bereits ab dem zweiten Kilometer aus den Poren, man kann sogar die Radfahrer riechen, die man überholt (einen), und von denen man überholt wird (zwei). Der Anstrengungsschweiß vermischt sich mit dem Angstschweiß, weil der Mendelpass auch eine inoffizielle Rennstrecke für verrückte Motorradfahrer und Porsche-Besitzer ist, die ihr gutes Stück abseits von Radarkontrollen mal ausfahren wollen. Auch bergab (Angst) lässt der Ausstoß nicht nach. Und auch Bremsen strengt an – es geht auf Finger, Hände, Arme. Schwerarbeit.
Man stinkt, dass man nicht wiedererkannt wird. Zurück beim Quartier: Vermieter-Hund Arco, der bei der Abfahrt des Gastes noch mit ihm kuscheln wollte, hatte Lust, ihn nun zu zerfleischen. Günter Klein