Eppan – Mats Hummels ist der etwas andere Fußballprofi. Einer, der versucht, am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Er nutzt in München die Nahverkehrsmittel, er geht in die Fußballkneipe „Stadion an der Schleißheimer Straße“, da stellte er sich an Quizabenden den Nerds, die selbst nicht spielen, aber jedes Ergebnis wissen (Hummels wurde Vorletzter). Und: Er bedient seine Social-Media-Kanäle selbst. Unter Spielern seiner Kategorie ist es üblich, damit eine Agentur zu betrauen und nur nette Bildchen und Belanglosigkeiten verbreiten zu lassen.
Als er am Freitag als Nachzügler mit Jerome Boateng ins WM-Trainingslager in Südtirol reiste, forderte er seine Follower bei Twitter – es sind über zwei Millionen – auf, ihm Fragen zu stellen. Ungewöhnlich nahbar. Er bekam an die siebenhundert. Und er ließ sich auf Diskussionen ein. Es begann ganz harmlos.
„Fandest du die Aufregung nach eurer ,Kabinenflucht’ Samstag gerechtfertigt?“, wollte einer wissen, und Hummels antwortete: „Ich finde es sehr ,interessant’, wie viele Gutmenschen bei solchen Themen um die Ecke kommen und wie selten (nämlich nie; dazu ein Smiley) es gewürdigt wird, wenn sich astrein verhält. . .“ Und schon ging es los mit dem Shitstorm: Wofür wolle der Herr Hummels gelobt werden? Ist seine Empfindung, die Öffentlichkeit beurteile Fußballer zu kritisch, gerechtfertigt? Doch vor allem: Warum verwendet er den Begriff „Gutmenschen“, den immer schon die Rechten vereinnahmt haben?
Es gab Belehrungen für Mats Hummels: Dass „Gutmensch“ 2015 zum Unwort des Jahres gewählt wurde; „Weil der Begriff Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd diffamiere.“ Hummels wurde aktiv, schrieb: „Hier mal die Definition laut Wikipedia, die ich mir gerade zu dem Thema durchgelesen haben. Wenn andere Leute das Wort zu ihren Zwecken missbrauchen, dann sollte vor deren Haustür gelehrt werden. Gutmensch ist eine Bezeichnung, die häufig als ironisch, sarkastisch, gehässig oder verachtend gemeinte Verunglimpfung von Einzelpersonen, Gruppen oder Milieus (,Gutmenschentum’) genutzt wird. Diesen wird aus Sicht der Wortverwender ein übertriebener, nach äußerer Anerkennung heischende Wunsch des ,Gut-sein’-Wollens in Verbindung mit einem moralisierenden und missionierenden Verhalten und einer dogmatischen, absoluten, andere Ansichten nicht zulassenden Vorstellung des Guten unterstellt.“ Doch „Gutmenschen“ ist als Hummels-Wort nun erst mal in der Welt. Nach dem Champions-League-Finale ging es weiter. Ein User: „Die Gutmenschen vom FC Liverpool sind auf dem Platz geblieben.“
Hummels hat Erfahrung damit, dass seine Internet-Beiträge polarisieren. Länger schon: Ein aufrichtiges Lob für das Niveau bei einem Bundesliga-Sonntagsspiel wurde ihm als Zynismus ausgelegt, eine Parteinahme bei einem Pokalhalbfinale gegen die Mannschaft, die einen Elfmeter geschunden hatte, als unstatthafte Äußerung bewertet.
Auf die Gutmenschen-Sache ist Hummels, der übrigens ein Prozent seines Gehalts der Initiative „Common Goal“ überlässt, nicht weiter eingegangen. Zuletzt postete er Trainingsbilder. gük