Löw freut sich auf Rakete Reus

von Redaktion

Was sich der Bundestrainer vom Test gegen Österreich erwartet – Ohne Hummels und Müller

Eppan – Der Nationalspieler, der am Montag zwischen zehn und halb elf morgens auf seinem Zimmer angerufen wird, sollte sich auf was gefasst machen. Um 12 Uhr muss Joachim Löw seinen 23er-WM-Kader bei der FIFA gemeldet haben, kurz zuvor unterrichtet er die, die er aus dem vorläufigen Aufgebot streichen wird. Spieler, bei denen der Bundestrainer sich meldet, „wissen, dass das nichts Gutes bedeutet, wenn ich sie zum Trainerzimmer bitte“. Auch gefährlich: Vom Chef im Hotel angesprochen zu werden.

Löw weiß, dass er sich mit seinen Assistenten am Sonntagabend „noch einmal die Köpfe heißreden wird. Nicht über alle Spieler, über einzelne“. Wobei: Das Spiel, das die Deutschen am Samstag (18 Uhr) in Klagenfurt gegen Österreich bestreiten, „wird nicht der große Maßstab sein“ für die letzten personellen Entscheidungen. Löw will einfach sehen, ob die Inhalte, die seit eineinhalb Wochen in Südtirol einstudiert werden, ins deutsche Spiel gefunden haben. Und: Er ist auf ein paar seiner Akteure neugierig.

Natürlich auf Manuel Neuer, der im Mittelpunkt des Interesses stehen wird nach seiner Verletztengeschichte. Doch noch intensiveres Leiden hat Marco Reus hinter sich, der seit zwei Jahren und seiner Abreise aus dem EM-Trainingslager 2016 ohne Länderspiel ist. In Eppan war es wunderbar ruhig um den Dortmunder. Kein fataler Tritt, kein Zusammenprall zur Unzeit. „Wenn man ihn im Training so sieht“, fängt Löw an, sich zu begeistern, „er ist geschickt, intelligent, raffiniert, überraschend für den Gegner. Schon eine Rakete.“ Seine Prognose: Wir werden uns auf Marco Reus bei der WM freuen können.“

Ein immer gesunder Reus hätte bei Löw wahrscheinlich eine tragende Rolle gespielt wie Mesut Özil. Seit der WM 2010 hat er jedes mögliche Turnierspiel bestritten – von Anfang an. Hat sich an diesem Standing womöglich etwas geändert? Co-Trainer Thomas Schneider hat sich neulich kritisch geäußert, er sagte: „Natürlich erwarten wir in den nächsten Tagen und Wochen bis zum Start, dass Mesut sich selber fordert in den Einheiten, um entsprechende Substanz aufzubauen.“ Was klingt, als täte er zu wenig. Löw hält das für eine „falsche Interpretation“. Es sei nur eine „Ist-Zustand-Beschreibung“ gewesen, Özil habe wegen Rückenbeschwerden beim FC Arsenal die letzten drei Wochen der Premier-Leaue-Saison nicht spielen können. Löw erlebt Özil im Training „aggressiv und zuverlässig“.

Einer, der auf dem Platz bei jedem Blödsinn nahezu demonstrativ mitwirkt, ist Ilkay Gündogan. Das mag daran liegen, dass er sich körperlich auf gutem Weg fühlt (auch er hat eine Patientenakte von Invalidenformat), doch wichtiger ist, dass er sich nach der Affäre mit dem Erdogan-Besuch, die vor drei Wochen die Schlagzeilen bestimmte, sortiert hat. „Er hat viel nachgedacht“, berichtet Joachim Löw, „hat sich gefragt: Was gibt’s zu tun? Wie reagiert die Mannschaft auf mich?“ Als Gündogan zum Pokalwochenende seinen Urlaub unterbrach und mit Mesut Özil nach Berlin kam, um die DFB-Spitze und den Bundespräsidenten zu treffen, sei er noch angespannt gewesen. Das, sagt Löw, sei verflogen.

Am Sonntag besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel die Mannschaft in Eppan – die Begegnung wird der nächste Schritt in die Normalität sein.

Auf diesen Termin können sich die rhetorisch starken Mats Hummels und Thomas Müller gezielt vorbereiten. Weil sie in dieser Saison reichlich Spiele hatten und der Bundestrainer „weiß, was sie können“, nimmt er sie gar nicht erst nach Klagenfurt mit.

Sie können am Montagvormittag ohne Argwohn ans Telefon gehen und müssen beim Frühstück keinen bangen Bogen um ihren Trainer schlagen.

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