Aus Sicht von Bonita Mersiades war der 2. Dezember 2010 ein sehr guter Tag für die FIFA. An diesem Tag erfolgte die Doppelvergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 – an Russland und Katar. Mit Russland konnte sich die Weltöffentlichkeit noch arrangieren, nicht jedoch mit Katar. Ein desaströses Ergebnis für den Fußball-Weltverband, das aber klarmachte: Es kann so nicht weitergehen, die Struktur an der Spitze der FIFA verleitet zu Machtmissbrauch. Die US-Behörden, die in den Ermittlungen gegen die FIFA 2015 die Regie übernahmen, verglichen die Fußballfamilie, wie sie sich selbst nennt, mit der Mafia und dem organisierten Verbrechen. Führende Funktionäre wurden aus ihren Zürcher Hotelzimmern (es war Kongresszeit, deswegen traf man sich in der Stadt des FIFA-Sitzes) heraus verhaftet, später verloren Michel Platini, der Boss der UEFA, und FIFA-Regent Sepp Blatter ihre Ämter
Bonita Mersiades listet in ihrem Bich „Whatever It Takes. The Inside Story of the FIFA Way“ auf, wie sich das einst maßgebliche Gremium, das Exekutivkomitee, selbst zerlegte und abschaffte. Von den 24 Mitgliedern, die die WM 2006 an Deutschland gaben, sind (die nicht mehr lebenden Personen inklusive) suspendiert worden, oder es wird gegen sie noch ermittelt. Vom Exko, das die WM 2010 Südafrika zusprach, sind es 16, auf die ein Schatten fiel. Und aus dem Kreis von 22 (zwei waren kurz zuvor gesperrt worden), die bei der Doppelvergabe 2018/22 abstimmen durften, wurden 14 zum Objekt der Fahnder.
Die WM 2026 wird nun erstmals von einem größeren Kreis vergeben: vom gesamten FIFA-Kongress, gebildet aus den 207 Mitgliedsverbänden. Jeder hat eine Stimme. Zur Wahl stehen nur zwei Bewerber. USA/Mexiko/Kanada galten als Anwärter – doch dann meldete sich auch Marokko (für 2010 noch Südafrika unterlegen). Offensichtlich zum Unwillen des neuen FIFA-Chefs Gianni Infantino. Der wollte offensichtlich Marokko vom Bewerbungsverfahren ausschließen, weil er mutmaßte, seine Generalsekretärin Fatma Samoura habe verwandschaftliche Bande zu den Afrikanern. In einer Mail von ihr war die Anrede „Brother“ aufgetaucht.
Erwartet wird für den Kongress am 12./13. Juni in Moskau, dass die Länder nicht kunterbunt abstimmen werden, sondern es kontinentale Blöcke geben wird. So wie es war, wenn die Vollversammlung den Präsidenten der FIFA wählte. gük