Einer wie keiner

von Redaktion

Cristiano Ronaldo erlebt ein typisches Cristiano-Ronaldo-Spiel: erst polarisierend, dann triumphierend

von elisabeth schlammerl

Sotschi – Er kann es einfach nicht lassen, dieses Ritual beim Freistoß. Wenn sich Cristiano Ronaldo den Ball zurechtlegt, dann vier, fünf Schritte zurückschreitet und breitbeinig mit herausgestreckter Brust auf die Freigabe des Balls wartet, provoziert er Pfiffe und Buhrufe. Er bringt zumindest jene Zuschauer gegen sich auf, die nicht Fans seiner Mannschaft sind, und erst recht jene, die ihn für einen eitlen Gockel halten. Am Freitag im Spiel zwischen Portugal und Spanien waren seine Gegner eindeutig in der Überzahl, als er kurz Schluss zum Freistoß antrat und tat, was immer tut.

Es war ziemlich mutig von Ronaldo, denn er konnte ja nicht damit rechnen, dass er erfolgreich sein würde, er war dies in den 46 Versuchen bei großen Turnieren auch nicht gewesen. Unvergessen ist jener klägliche Freistoß bei der WM 2014, als er im Gruppenspiel gegen Deutschland die von Philipp Lahm, dem Kleinsten in der Mannschaft, gebildete Ein-Mann-Mauer anschoss. Er war danach den Tränen nahe, aber Ronaldo ist keiner, der aus Sorge, wieder zu versagen, die Verantwortung scheut. Der 33-jährige Portugiese hatte diesen Freistoß gegen Gerard Pique herausgeholt und es war selbstverständlich, dass er ihn auch treten würde, mit allem, was für ihn dazugehört. Und dieses Mal blieb der Ball nicht der Mauer hängen. Ronaldo zirkelte ihn zum 3:3-Endstand ins Netz und krönte damit seine herausragende Leistung. „Er spielt schon so lange auf dem höchsten Niveau“, sagte später Portugals Nationaltrainer Fernando Santos. „Er weiß, wie er mit diesen Momenten umgehen muss.“

Ganz sicher hätte Ronaldo auch ohne diesen Geniestreich am Ende des furiosen Spiels viel Lob bekommen, aber eben mit dem Makel leben müssen, trotz seiner Gala-Vorstellung verloren zu haben. Er hatte seine Mannschaft zweimal in Führung gebracht, zuerst mit einem Elfmeter, den er gegen seinen Noch-Klubkollegen von Real Madrid, Nacho, herausgeholt hat, dann mit einem Distanzschuss, den der spanische Torhüter David de Gea durchrutschen ließ. Die drei Tore seien „ein schöner Erfolg, ein weiterer in meiner Karriere“, sagte er. Aber wenn es gut läuft bei ihm, denkt er immer auch an die Kollegen. „Viel wichtiger ist das, was das Team getan hat. Wir haben auch nicht aufgegeben, als wir hinten waren. Wir sind als Mannschaft sehr gut zusammengewachsen.“

Ronaldo war der Mann des Abends, in fast jeder Hinsicht, obwohl es dem grandiosen Spiel nicht gerecht wird, es nur auf ihn zu reduzieren. Aber er trieb seine Kollegen immer wieder nach vorne, vor allem in jenen Phasen, in denen Portugal das Spiel aus der Hand geglitten war. Er sei körperlich in einem sehr guten Zustand, findet Santos, „aber noch wichtiger ist seine mentale Fitness. Er ist unglaublich stark im Kopf.“

Ronaldo mag die One-Man-Show, aber dazu braucht er eine Mannschaft, bei der er der alleinige Chef sein darf – und das darf er bei Portugal. Und mit dem Gewinn der EM vor zwei Jahren ist auch der Titel-Makel mit dem Nationalteam getilgt. Die Kollegen wissen, es kann keiner so gut wie Ronaldo. „Er gibt uns unglaubliche Sicherheit“, sagt sein Mannschaftskollege Cedric. Bei Real Madrid ist das etwas anders, da gibt es viele Häuptlinge. Bei seinem Verein wirkte er am Ende der Saison müde und etwas unmotiviert, bei den wichtigen Spielen glänzten andere. Dass nach dem dritten Champions-League-Triumph trotzdem er mit am meisten Schlagzeilen schrieb, lag an seinen kryptischen Aussagen über seine Zukunft. Aber nun bei der WM habe er „erneut unter Beweis gestellt, dass er der beste Spieler der Welt ist“, sagt Cedric. „Er hat es allen gezeigt.“ Wieder mal.

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