„Ich fühlte mich wie tot“

von Redaktion

Lionel Messis unglücklicher WM-Auftakt gipfelt in einem kläglich verschossenen Elfmeter

Moskau – Nach einem Tag zum Vergessen hätte es Lionel Messi wohl niemand übel genommen, wenn er einfach wortlos verschwunden wäre. Doch Argentiniens Fußball-Messias duckte sich nicht weg. Frisch geduscht und mit der Designer-Kulturtasche unter dem Arm gab er zu: Ja, es war mehr als nur ein vergebener Elfmeter. Eine persönliche Niederlage für den eigentlich Unfehlbaren – auch im ewigen Ringen mit Portugals Überflieger Cristiano Ronaldo. „Nach dem Fehlschuss habe ich mich wie tot gefühlt“, sagte Messi nach dem 1:1 (1:1) im ersten WM-Gruppenspiel gegen Island.

Er fühlte sich „verantwortlich“ für den Fehlstart des Vize-Weltmeisters – und lag damit nicht falsch. Eines fünfmaligen Weltfußballers unwürdig hatte er in der 64. Minute den womöglich alles entscheidenden Strafstoß halbhoch in die Arme des isländischen Torwarts Hannes Halldorsson geschlenzt. Da bei den Argentiniern spielerisch ohnehin nicht viel zusammengelaufen war, wusste danach auch Messi: Er hätte sie retten müssen. „Ohne Zweifel, der Elfmeter hätte alles verändert.“

So aber steht Messi mit leeren Händen da – und das nachdem Ronaldo nur einen Tag vorher mit seinem Dreierpack beim 3:3 gegen Spanien der WM krachend seinen Stempel aufgedrückt hatte. Außerdem sendete er eine Botschaft, die durchaus an Messi gerichtet gewesen sein könnte. Nach seinem Elfmetertreffer (!) zum 1:0 gegen die Spanier streichelte Ronaldo seinen imaginären Ziegenbart. Ziege heißt auf Englisch Goat, was auch die Abkürzung für „Greatest Of All Time“ ist. Der „Größte aller Zeiten“, so wird Messi häufig genannt.

Dass die drei Tore des einen mit dem unglücklichen Auftritt des anderen verglichen werden, ist ebenso ungerecht wie typisch. Der Fußball lebt von seinen Stars, ihre Geschichten sind ein wichtiges Instrument, um ein Event wie die WM erfolgreich zu vermarkten. Messis Schusspech stellte deshalb selbst den fulminanten Führungstreffer von Kun Agüero in den Schatten. Am Ende spielte es auch keine Rolle mehr, dass Messi eigentlich eine sehr gute Leistung gezeigt hatte.

Der Größte dieser WM kann er natürlich noch immer werden, auch wenn Ronaldo nun einen dicken Vorsprung hat. Seine Mannschaftskameraden glauben jedenfalls an ihn. „Es ist alles normal, schließlich ist Messi auch nur ein Mensch. Wir müssen ihm beistehen. Heute war es nicht sein Tag, aber er kann zu jeder Zeit eine Partie entscheiden“, sagte Agüero, dessen Tor nach nur 19 Minuten bei den Argentiniern die Hoffnung auf einen erfolgreichen WM-Auftakt geweckt hatte. Dem Ausgleich nur vier Minuten später durch den Augsburger Bundesliga-Profi Alfred Finnbogason rannte Messi über eine Stunde verzweifelt hinterher. Ohne Esprit und ohne Erfolg.

Alles nicht so wild, findet Argentiniens Legende Diego Maradona, die das Island-Spiel mit glänzenden Ohrringen, Sonnenbrille und Zigarre auf der Tribüne des Moskauer Spartak-Stadions verfolgt hatte. Er erinnerte an seinen verpatzten WM-Auftakt 1990 gegen Kamerun (0:1). „Ich habe eine WM mit einer Niederlage begonnen, nicht nur mit einem Remis“, schrieb der 57-Jährige bei Instagram: „Am Ende haben wir es dann bis ins Finale geschafft.“ Eine Anekdote, die Messi Hoffnung spenden soll.

Denn der Druck wird vor dem zweiten Gruppenduell am Donnerstag (20.00 Uhr/ZDF) gegen Kroatien in Nischni Nowgorod nicht geringer. „Die Partie gegen Kroatien wird zu einem WM-Finale“, schrieb die argentinische Sportzeitung „Olé“. Das ganze Land erwartet von Messi den WM-Pokal. Er selbst kann Ronaldo auf keinen Fall kampflos die WM-Bühne überlassen.  sid

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