Moskau – Italien ist zufrieden mit dem Punkt gegen Argentinien. Italien? Ja, Italien. Der Nicht-WM-Teilnehmer unterstützt jetzt Island. „Vielleicht weil wir normal in den gleichen, in blauen Trikots spielen“, so Heimir Hallgrimsson, der isländische Trainer. Auf jeden Fall: Die „Gazzetta dello Sport“, der wichtigste Sportmeinungsmacher in Italien, bringt während der WM täglich eine Seite über Island – verbunden mit einem Werbedeal des dortigen Tourismusministeriums.
Was Island mit Italien verbindet, ist zudem die Fähigkeit des Verteidigens. Auch Island hat eine Form des Catenaccio entwickelt – und ihn gegen die Argentinier um Lionel Messi kühl angewendet. Hinterher, nach dem 1:1, kamen natürlich Diskussionen auf, ob diese Art des Fußballs nicht irgendwie unanständig sei. Heimir Hallgrimsson lacht sein Zahnarztlächeln (tatsächlich ist er in Reykjavik teilzeitpraktizierender Dentist): „Wir wussten, dass die Argentinier zwei Drittel Ballbesitz haben würden. Ihre Spieler sind besser als unsere, die Ligen, in denen sie spielen, sind besser. Gehen wir ins Eins gegen eins, werden wir nicht gewinnen.“ Doch man könne Spaß haben am Ball wegköpfen, Schüsse blocken, Messi totlaufen. „Wir haben eine klare Identität: Organisation. Und es macht mehr Spaß, so zu spielen und etwas zu erreichen, als anders zu spielen und nichts zu holen.“
So ist es ein Punkt geworden. Weil der (Noch-)Augsburger Alfred Finnbogason den frühen Rückstand durch Manchester-City-Star Agüero (19. Minute) früh per Abstauber ausglich (23.). Und weil Tormann Hannes Halldorsson vom dänischen Club Randers FC einen Elfmeter von Lionel Messi weghechtete (64.).
„Da sind Träume wahr geworden“, sagte der 34-jährige Keeper, „bei einer WM zu spielen, dann gegen Argentinien und noch einen Elfmeter von Messi zu halten“. Er sagte dazu nur: „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“ Er hat sich viele Elfmeter von Messi angesehen „und auch mein eigenes Verhalten bei Strafstößen analysiert, um herauszufinden, wie die Argentinier denken, dass ich mich verhalten könnte“.
Die Parade war das Extra auf einen Matchplan, der „fast perfekt aufgegangen ist“, so Coach Hallgrimsson. Zwar sagte er nach dem 1:1 voraus, „dass Argentinien weit kommen wird in diesem Turnier“, doch er merkte auch an, „dass es für argentinische Verhältnisse eine recht unerfahrene Mannschaft ist. Mit noch nicht so vielen Länderspielen.“ Und physisch auch nicht so robust wie frühere Generationen. Coach Jorge Sampaoli hatte in seiner Start-Elf nur zwei Feldspieler über 1,80 Meter. Da versuchte Island (alle zwischen 1,81 und 1,91) seine offensiven Akzente über die hohen Bälle zu setzen. Wiederholt auch per Monstereinwurf, wofür Aron Gunnarsson aus Cardiff/Wales zuständig war. Der Kapitän wischte den Ball immer noch schön am Trikot ab, damit die Oberfläche griffig war, und nahm einen Speerwerfer-Anlauf. Innenverteidiger Kari Arnason (Aberdeen/Schottland) ging mit nach vorne – und Argentinien wurde es spürbar unwohl. Die wenigen Chancen, die Island sich herausspielte, waren nicht die schlechteren.
Nach dem 1:1 schlichen die Argentinier vom Platz, die Isländer blieben noch und feierten. Normal verbrüdern sie sich mit ihren Landsleuten schon vor dem Spiel und vor dem Stadion, „das ist eine schöne Tradition, doch das bekommen wir nur vor Heimspielen hin und leider nicht in Moskau“, sagt Trainer Hallgrimsson.
Einigen stieß es sauer auf, dass die Isländer sich nach einem Unentschieden benahmen, als hätten sie epochal gewonnen. Sie haben diesen Vorwurf schon mal gehört. Vor zwei Jahren, als sie erstmals bei der EM waren und sich mit einem Remis gegen Portugal einführten. Damals moserte ein beleidigter Cristiano Ronaldo. Als ein Journalist nun Torhüter Halldorsson zur Rede stellte. meinte der nur: „Sind Sie Ronaldos Onkel?“ Und er erklärte: „Für uns war es halt ein großer Moment.“
Heimir Hallgrimsson sagte: „Wartet ab, bis wir einen Sieg haben. Das wird eine Feier.“ Im Stadion und daheim in Island und Italien.