Wolgograd – Wayne Rooney und Co. sind Vergangenheit – die Zukunft Englands gehört Harry Kane und seinen „jungen Löwen“: Zwei Jahre nach dem peinlichen Aus im EM-Achtelfinale gegen Island hofft das Fußball-Mutterland bei der WM in Russland auf Wiedergutmachung durch eine neue Goldene Generation. An diesem Montag (20 Uhr/ARD und Sky) kommt es gegen Tunesien in Wolgograd zum ersten Härtetest.
„Die WM bietet die Gelegenheit, etwas zu korrigieren“, sagte Kane. Der Stürmer von Tottenham Hotspur ist Kapitän, Gesicht und Leitfigur der Three Lions, die seit 52 Jahren auf einen Titel warten und vor vier Jahren in Brasilien in der Gruppenphase scheiterten: „Ich möchte, dass die Menschen wieder stolz auf England sind.“
Das ist auch das Ziel von Teammanager Gareth Southgate. Seitdem der ehemalige Nationalspieler im Amt ist, ist der lange überfällige Umbruch eingeleitet geworden. Gerade einmal eine Handvoll Spieler der vergangenen WM ist noch im Aufgebot – auch die Zeit von Rekordtorschütze Rooney ist vorbei.
Und auch sonst ist vieles anders bei den Engländern. Das Team residiert im eher beschaulichen Country Club „forRestMix“ in Repino, 50 Kilometer von St. Petersburg entfernt. Vorbei die Zeiten wie vor zwei Jahren in Frankreich, als England im luxuriösen Hotel Auberge du Jeu de Paume residierte, in dem eine Übernachtung normalerweise fast 600 Euro kostet.
Die Stimmung hat sich ohnehin gedreht. Selten in der jüngeren Vergangenheit war der Druck so gering, mehr noch als Ergebnisse wird ein erfrischender Spielstil des drittjüngsten Teams der WM erwartet. Dennoch: In der Gruppe G mit Tunesien, Belgien und Panama sollte England das Achtelfinale erreichen – im Viertelfinale könnte es zum Duell mit Deutschland kommen.
„Es gibt nur Empörung, wenn England zurückkommt und kein Schweiß auf dem Trikot ist“, schrieb die Times. Und Bestsellerautor Nick Hornby („Fever Pitch“) fasste die Erwartungen gewohnt treffend zusammen: „Was viele von uns wollen, ist ein englisches Team, das wir mögen können.“ Offenbar hat England genug von den Teams der Vergangenheit, die zwar gespickt waren von Superstars wie David Beckham, Steven Gerrard oder Wayne Rooney, in den entscheidenden Momenten aber versagten – gehandicapt von großen Egos oder intern zerstritten.
Auch in diesem Punkt scheint die aktuelle Mannschaft ein Gegenentwurf zu sein. „Das ist ein Team, das es genießt, beieinander zu sein. Die Spieler sind stolz, ihre Nation zu repräsentieren“, sagte Southgate. Hilfreich dabei ist, dass viele der Spieler bereits in den Juniorenauswahlen zusammenspielten.
So ist die Stimmung auch gegenüber der oft so kritischen englischen Presse entspannt. Erstmals seit 22 Jahren gab es im Vorfeld einen Medientag, in Repino gewannen Torwart Jordan Pickford und Verteidiger Gary Cahill ein Dartsmatch gegen ausgewählte Journalisten.
Doch es gibt auch Probleme. Womöglich kommt die WM für das unerfahrene Team zu früh – und fast wie gewohnt könnte die Torwartposition zur Schwachstelle werden. Höchstwahrscheinlich wird Pickford gegen Tunesien zwischen den Pfosten stehen. Der 24-Jährige hat allerdings gerade einmal drei Länderspiele absolviert.