München – Alte Fußballweisheit: Stürmer haben im eigenen Strafraum nichts verloren. Aziz Bouhaddouz unterstrich die These am Freitag eindrucksvoll, als der Angreifer des FC St. Pauli nach seiner Einwechslung in der fünften Minute der Nachspielzeit Torwart Munir beim Kopfball kein Chance ließ – denn dummerweise war es sein eigener Torwart. Marokko trifft, Iran siegt. „Ich kann mich nur beim Team, unseren Fans und 35 Millionen Marokkanern entschuldigen“, sagte der Unglücksrabe nach dem 0:1.
Vor vier Jahren gab es fünf Eigentore – und jetzt schon drei
Das Eigentor war spektakulär – aber die Geschichte zeigt, dass das Schicksal des 31-Jährigen auch sehr prominente Kicker teilen. Franz Beckenbauer schoss in der Bundesliga einst zwei Mal in zwei aufeinanderfolgenden Partien in den eigenen Kasten, Sepp Maier fragte deshalb vor dem nächsten Spiel die Verteidiger des FC Bayern: „Wer deckt den Beckenbauer?“ Manche nehmen Eigentore mit der nötigen Prise Selbstironie; vom Finnen Pentti Kekkola gibt es etwa die Anekdote, er habe von seinen Kollegen ein besonderes Geschenk bekommen, als er 1986 sein fünftes Eigentor der Saison fabriziert hatte: einen Kompass.
Ein Ortungsgerät hätte an den ersten Tagen dieser WM nicht nur Bouhaddouz gut getan; in der Partie Frankreich – Australien und Kroatien – Nigeria wurden auch zwei fehlgeleitete Torschüsse notiert; riecht nach Rekordkurs – vor vier Jahren waren es fünf Übeltäter. In Brasilien schrieb Bosniens Sead Kolasinac gegen Argentinien Geschichte, als er nach drei Minuten traf – es ist bis heute das schnellste Eigentor in der Turnier-Annalen. Bouhaddouz trug sich als der Mann ein, der das bisher späteste erzielen konnte.
In der deutschen WM-Historie ist Berti Vogts der Einzige, der sich „strafbar“ machte; 1978 war sein 1:1 gegen Österreich in Argentinien elementarer Teil der „Schmach von Cordoba“ (2:3). In der Bundesliga gab es hingen einige Eigentore, einige waren sogar sehr schön. Helmut Winklhofer gewann mit einem Weitschuss aus 30 Metern 1985 in den Winkel die Wahl zum Tor des Monats, doch der Bayern-Spieler erschien nicht zur Ehrung.
Ernst Happel wettete 1952 einst mit seinem eigenen Torwart, dass er im Spiel gegen Sturm Graz einen Gegentreffer bekommen würde. Bei 9:0-Führung von Rapid Wien drehte sich Happel plötzlich um und schoss den Ball ins eigene Netz. Natürlich gab es auch viele verdächtige Eigentore – und im karibischen Nationenpokal 1994 mal eine Groteske: Ein Regelwirrwarr trieb bei Grenada – Barbados die kuriose Blüte, dass Grenada drei Minuten vor Abpfiff ein Tor, egal in welchen Kasten, geholfen hätte. Barbados musste deshalb beide Gehäuse verteidigen. Das Reglement wurde daraufhin geändert.