Boarding-Pässe für Deutschland

von Redaktion

Die Schweden bereiten sich auf „eine großartige Chance“ vor – allerdings drückt bei drei Spielern der Magen

Sotschi – Schweden hat bei dieser WM bislang zwei Akzente gesetzt. Den ersten schon, bevor das Turnier eröffnet wurde. Karl-Erik Nilsson, der Verbandspräsident, sorgte am 13. Juni in Moskau für die einzige Wortmeldung beim FIFA-Kongress. Es ging um eine Satzungsänderung, und er forderte, dass die FIFA ihre Gelder nicht nur an die Herren der Schöpfung ausschütten, sondern auch den Frauenfußball berücksichtigen möge. Gender-Gerechtigkeit, für die das freiheitliche und korrekte Schweden steht. Es ist noch kein offizieller Antrag daraus geworden, doch es ging darum, eine Diskussion in Gang zu setzen – und etwas, das gesellschaftliche Relevanz hat, ist den Skandinaviern nicht sehr viel unwichtiger als das reine 1:0.

Das 1:0 war der zweite Akzent. Damit startete Schweden ins WM-Turnier. 1:0 gegen Südkorea. Das – verbunden mit den Tabelleneffekten aus der deutschen Niederlage gegen Mexiko – hievt das schwedische Team in die Situation, dass es den Weltmeister nach Hause schicken kann. Aber es wäre unkorrekt, so schadhaft zu denken. Trainer Janne Andersson sagt: „Wichtig ist: Wir können es bereits ins Achtelfinale schaffen.“

Unschwedisch offensiv ist nur ein junger Boulevardreporter aus Stockholm aufgetreten, der zum deutschen Training am Donnerstag in Sotschi bereits Boarding-Pässe für den Heimflug der DFB-Spieler mitbrachte. Doch er hatte schon in Watutinki im DFB-Quartier vor einer Woche verraten, dass seiner Meinung nach die Schweden „unglaublich schlecht“ seien.

Auf Platz 24 steht Schweden in der Weltrangliste. „Wir haben aber ganz gute Spiele gemacht gegen Teams, die da über uns stehen“, verweist Janne Andersson auf Begegnungen mit Frankreich, Portugal, Spanien. Und auf die Playoffs zur WM, in denen seine Mannschaft in zwei Spielen gegen Italien bestand (1:0, 0:0). Andreas Granqvist sagt: „Ich habe Spaß daran, Bälle zu erobern.“ Das gilt als die Primärtugend einer schwedischen Nationalmannschaft, die seit dem Rücktritt von Zlatan Ibrahimovic nicht mehr schillert – aber ihre Effektivität gesteigert hat. Da passt dann auch Janne Andersson dazu, der in seiner Selbstbeschreibung erklärt: „Ich bin todlangweilig.“ Gelegentlich fällt es mir noch immer schwer zu glauben, dass ich Nationaltrainer geworden bin.“

Sein Leistungsnachweis ist die Qualifikation zur WM, für Schweden keine Selbstverständlichkeit. Man kann ihm auch nicht absprechen, dass er die Mannschaft entwickelt hätte. „Wir sind mit den Erfahrungen zusammengewachsen.“

Am Tag vor dem Spiel gegen Deutschland war der Kader aber gesplittet. Vier Akteure fehlten beim Training, drei von ihnen – Filip Helander, Pontus Jansson und Marcus Rohden – blieben im ständigen WM-Quartier in Gelendzhik. „Sie haben Magenschmerzen bekommen am Donnerstagabend“, erklärte Janne Andersson. Die Ursache ist ungeklärt, doch um eine Weiterverbreitung zu verhindern, hat man die Kranken vom Rest der Mannschaft isoliert. Vielleicht werden sie zum Spiel aber nachkommen.

Um einen historischen Tag zu erleben? „Auf dem Papier sind die Deutschen besser als wir“, sagt Andersson, „und sie werden auch mehr Ballbesitz haben“. Aber das bringt ihn nicht aus der Ruhe: „Wir wissen, welche Optionen die Deutschen haben – und wir haben eine großartige Chance.“ Günter Klein

Artikel 1 von 11