Sotschi – Der Donnerstag soll der Wendepunkt gewesen sein. Der Tag, an dem die Nationalmannschaft aufhörte, sich mit der Nachbetrachtung der Pleite gegen Mexiko zu befassen. „Die Bilder waren ein Brett“, sagt Mario Gomez. Die Bilder sollen nun aber ruhen. Sie sollen überlagert werden von anderen, die die Deutschen an diesem Samstag (20 Uhr MESZ) gegen Schweden schaffen wollen. Und die die These von Gomez stärken: „Wir sind immer noch eine starke Mannschaft mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Und eine gute Gruppe – auch wenn viele das nicht glauben.“
Es ist ein Schicksalsspiel, das die Deutschen erwartet. Läuft es gut, dann war es ein erstes Schicksalsspiel und es sind weitere gewonnen, das nächste am Mittwoch gegen Südkorea (16 Uhr MESZ). Mündet es in eine Niederlage, war es das nach mathematischem Ermessen bei dieser WM. Der DFB wäre ein frühzeitig gescheiterter Titelverteidiger, eine Lachnummer. Zwar würde nach einiger Zeit die Oliver-Bierhoff-Argumentation greifen („Ein schlechtes Turnier macht nicht 14 Jahre Arbeit kaputt, und den WM-Titel 2014 nimmt uns keiner“), doch die kommenden Wochen würden geprägt durch Abrechnungen, wie sie der deutsche Fußball schon lange nicht mehr erlebt hat.
Joachim Löw stünde dann trotz seines eben bis 2022 verlängerten Vertrags in der Diskussion. Er hat den Deutschen den feinsinnigen Fußball nahe gebracht, er ist bei den Spielern respektiert und beliebt, weil er stets menschlich und loyal agiert – doch er hört sich vor dem Treffen mit den Schweden auch anders an. Martialisch nahezu. „Energie und Körpersprache sind die beiden wichtigsten Waffen“, erklärt er in untypische Rhetorik, „Einstellung und Power sind Grundvoraussetzungen.“ Die WM 2018 erklärt er jetzt schon zu einer „der Hingabe und Leidenschaft“, das spielerische Niveau sei noch nicht so gut, „die vermeintlich kleineren Teams schmeißen alles rein“.
Es sind Zweifel am Erfolgstrainer aufgekommen. War sein Scouting fehlerhaft, weil er die Mexikaner ganz anders erwartet hatte? Er wehrt sich (im Namen der Scoutingabteilung): „Dass Mexiko nicht wie sonst hoch angegriffen hat, hätte ein Vorteil für uns sein müssen. Denn dadurch hat man weniger Stress.“ Hat man im Trainingslager in Südtirol und in Russland nicht richtig gearbeitet? „Wir haben uns nicht drei Wochen auf das erste Spiel, sondern auf die WM vorbereitet“, erklärt Sami Khedira. War die Mannschaft so überheblich, dass sie die Zeichen ignorierte, die die Testspiele ihnen übermittelten? „Vertrauen in die eigene Stärke und dass man sich von einem Rückschlag das Selbstbewusstsein nicht nehmen lässt, ist eigentlich eine gute Eigenschaft – es war in diesem Fall aber wohl falsch“, meint Mats Hummels, der gegen Schweden nicht wird spielen können. „Er hat sich im Training den Halswirbel verrenkt, kann nicht in die Kopfballduelle gehen“, informierte Löw am Freitagnachmittag bei der offiziellen FIFA-Pressekonferenz, „das wird über Nacht auch nicht mehr besser“.
Es ist eh davon auszugehen, dass Löw den Neustart im Turnier mit einer veränderten Personalwahl garnieren wird. Alles spricht dafür, dass Marco Reus in die Elf rückt, die beginnt. Dass für die Pressekonferenz Mario Gomez nominiert wurde, könnte, so der Stürmer selbst, „ein Signal sein. Oder ein Bluff. Das ist wie beim Roulette. Fünfzig-fünfzig.“ Mit Gomez würde aber nicht bedeuten, „dass wir nur hohe Flanken in den Strafraum schlagen. Da sagt Schweden vielen Dank“, so Löw.
Im Training hat er die gewünschte Reaktion seiner Mannschaft auf die „schmerzliche Niederlage“ bereits gesehen, „aber da ist das eine Selbstverständlichkeit. Im Spiel zählt es. Gewinnen wir“, blickt er voraus, „sind wir wieder im Rennen.“
„Die Stimmung ist nun besser“, versichert Mario Gomez, es gelte ein „Kopf hoch“. Seine Prognose: „Es wird die Mannschaft gewinnen, die den Sieg mehr will.“