Kasan – Nun also das zweite Schicksalsspiel. Oder K.o.-Spiel. Auch diesen Begriff haben die Spieler in den Raum gestellt. Doch die Aufgabe, die die deutsche Nationalmannschaft am heutigen Mittwoch erwartet, fühlt sich nicht mehr so schwer an wie die gegen Schweden. Es ist nicht der Samstagabend, auf den alle warten, die Partie kommt eher beiläufig daher an einem Werktagsnachmittag, wenn viele mit ihrem Alltag beschäftigt sein werden.
Südkorea erscheint nicht als die knifflige Aufgabe wie Schweden, und schließlich hat sich ja auch bei den Deutschen was verändert. Sie hatten ein Erlebnis, das die Stimmung gedreht hat: durch den 2:1-Sieg, durch die besonderen Umstände, die Rücken-zur-Wand-Leistung. Bundestrainer Joachim Löw erzählt noch einmal kurz von der Erleichterung, die die Atmosphäre auf dem Heimweg prägte. „Es war aber nicht überdreht oder überhitzt.“ Am nächsten Tag habe die Mannschaft schon begonnen, sich auf die kommende Aufgabe auszurichten: Gegen Südkorea nichts anbrennen zu lassen.
Mit Konstellations-Eventualitäten, die bis zu einer Verlosung des Achtelfinal-Platzes führen könnten, will Löw sich gar nicht erst befassen. Von ihm gibt es lediglich die Ansage, dass man ihn unterrichten möge über Zwischenstände bei Mexiko – Schweden, „damit ich reagieren kann“. Der Idealfall für ihn ist, dass es beim eigenen Spiel so reibungslos läuft, dass das andere ihm egal sein kann. Mit einem klaren Sieg (zwei Tore Differenz) wäre Deutschland auf der sicheren Seite. Manager Oliver Bierhoff: „Wir haben dafür eine Matrix.“
Gedanken könnte man sich machen aufgrund der Wetterlage. Voriges Jahr beim Confederations Cup erlebte man Kasan kalt und verregnet, die Prognose für Mittwoch, 17 Uhr Ortszeit, ist eindeutig: um die 30 Grad, uneingeschränkte Sonne. „Ich glaube aber nicht, dass die Bedingungen uns mehr Probleme bereiten werden als den Koreanern“, sagt Löw. „Es wird auch auf die Physis angekommen. Sie ist gut bei uns.“ Sogar gegen Mexiko, in diesem missratenen Auftaktspiel (0:1), ist man gegen Ende immer stärker geworden, gegen Schweden bewies man sich ebenfalls in der zweiten Halbzeit.
Zudem ist Löw sich einer breiten Personalauswahl sicher, die ihn eventuell auf bisher weniger beanspruchte Kräfte zurückgreifen lässt. „Wir haben 18 Feldspieler zur Verfügung.“ Jerome Boateng ist nach seiner Gelb-Roten Karte vom Samstag gesperrt, dafür hat Mats Hummels sich von seinen Halswirbelbeschwerden erholt. Sebastian Rudy wird nicht spielen können, „das käme ein, zwei Tage zu früh. Er hatte kurz eine Vollnarkose, die Nase ist mehrfach gebrochen“, begründet der Bundestrainer, warum er auf den Münchner verzichtet, der gegen Schweden das Mittelfeld stabilisiert hatte – bis er einen gegnerischen Stollenschuh im Gesicht hatte.
Kehrt Mesut Özil in die Start-Elf zurück? Das ist eine Option. „Er hat im Training eine gute Reaktion gezeigt“, das sind Löws Eindrücke. Özil hat auch nicht missgünstig gewirkt über seine Rolle. Er bat am Samstagabend noch in der Kabine, Marco Reus (Der sagt: „Wir sitzen da nebeneinander, weil er die 10 hat und ich die 11“) ein Foto von ihm zu machen, das er dann in die sozialen Medien stellte. Mit der Botschaft: Wir sind ein Team.
Mit der Herausnahme Özils ist Joachim Löw wohl mehr noch als der Form des Mitttelfeldmannes den Stimmungsströmungen daheim in Deutschland gefolgt. Zuhause stehen aber auch andere in der Kritik, zum Beispiel Thomas Müller, der 2010 und 2014 je fünf WM-Tore erzielte, 2018 aber noch ohne Treffer ist. „Ich habe mit ihm nach Mexiko ein längeres Gespräch geführt“, gibt Joachim Löw preis, „wir haben auf Video einige Szenen von ihm angesehen. Er ist sehr aufnahmefähig dafür, geht sehr selbstkritisch mit seiner Leistung um. Löw hat nicht vor, „nach einem schlechten Spiel oder nach zwei schlechten Spielen an ihm zu zweifeln. Von daher bleibt er für uns ein absolut wichtiger Spieler.“
Wie Müllers früherer Mentor Louis van Gaal zu sagen pflegte: Müller spielt immer.