Fußball in den sozialen Netzwerken

Wehe, wenn sie losgelassen

von Redaktion

Der ZDF-Reporter Bela Rethy hat schon vor fünf Jahren den Begriff „Asoziale Netzwerke“ benutzt. Nach einem Spiel des FC Bayern war er online massiv beschimpft und beleidigt worden. Selbstverständlich anonym, wie es in diesen Kreisen üblich ist.

Rethy hat sich im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt. Er kann die Schmähungen einordnen, die sich manchmal schwallartig über ihn ergießen. Verglichen mit persönlichen Begegnungen, bei denen Kritik überwiegend positiv und konstruktiv sei, empfindet er die Internet-Verrisse als „Ölfleck im Ozean“. Nicht schön, aber leider nicht immer zu verhindern.

Daran sollte denken, wer in diesen Tagen zum Hassobjekt namenloser Wirrköpfe wird. Große Sportveranstaltungen spielen sich immer auch in den Sozialen Medien ab, und das nicht nur in Form von Instagram-Inszenierungen, Facebook-Geflöte oder sonstigen Kampagnen. Die Weltmeisterschaft wirbelt auch eine ganze Menge Schmutz vom intellektuellen Bodensatz der Web-Gemeinde auf.

Bela Rethy kriegt das insofern hautnah mit, als seine ZDF-Kollegin Claudia Neumann seit WM-Beginn mit Kommentaren bedacht wird, die im richtigen Leben unweigerlich eine Strafanzeige nach sich ziehen würden. Das Frustrierende daran ist nicht nur die erschütternde Schlichtheit der Beiträge. Schlimmer noch ist die Tatsache, dass Argumente, so logisch und vernünftig sie auch sein mögen, auf diesem Niveau keine Bedeutung mehr haben.

Noch übler ergeht es in diesen Tagen jenen Spielern, die das Pech haben, mit einer missglückten Aktion ein Tor verschuldet oder ein Spiel entschieden zu haben. Der schwedische Pechvogel Jimmy Durmaz, Sohn einer türkischen Einwanderer-Familie, zog sich mit seinem Foul, aus dem das deutsche 2:1 resultierte, den Unmut von Tausenden Rassisten, Soziopathen und sonstigen Idioten auf sich. Nicht viel besser erging es Südkoreas Verteidiger Hyun-Soo Jang, dem gegen Mexiko ein Handspiel unterlief. Seitdem gehen beim Präsidialamt Petitionen ein mit Namen wie „Vertreibt Jang und seine Familie aus Korea“.

Erst diese Woche ist eine Studie herausgekommen, wonach Hooligans außerhalb großer Fußballveranstaltungen durchaus gewaltfrei leben können. Ertönt aber der Anpfiff, gilt das alte Motto „Wehe, wenn sie losgelassen“, und das nicht nur im physischen Sinne. In dieser Hinsicht ist es bisher friedlich geblieben, dafür toben sich die Randexistenzen des Fußballs verbal richtig aus. Der WM und ihren Teilnehmern, auf dem Platz und an den Mikros, stehen noch zehrende Wochen bevor. Ein dickes Fell kann da hilfreich sein.

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