München – Die Zeiger standen gestern auf 10.59 Uhr, als Niko Kovac das Podium der Allianz Arena betrat, um sich das erste Mal als Cheftrainer des FC Bayern zu präsentieren. Eigentlich war die Pressekonferenz für 11 Uhr angesetzt. Aber: Wozu warten?
Nachdem er Platz genommen hatte, sagte er „Herzlich willkommen“, was lustig war und gleichzeitig vielschichtig; denn eigentlich ist es ja er, der vom FC Bayern willkommen geheißen wird (es stand auch in großen Lettern hinter ihm auf der Leinwand), doch andererseits ist er in München ja auch zuhause. Von 2001 bis 2003 kickte er bereits für die Münchner, hielt immer Kontakt und gehört zur viel zitierten Bayern-Familie. Hasan Salihamidzic erklärte, er sei glücklich, diesen Trainer verpflichtet zu haben: „Weil wir uns sehr lange kennen und hier zusammen Spieler waren.“ Es bleibt zu hoffen, dass das inzwischen nicht schon ausreicht, um beim Rekordmeister eine Führungsposition zu ergattern. Kovac sagte einleitend artig, er sei „froh, dass der FC Bayern entschieden hat, mich als Trainer zu nominieren. Dafür ein Dankeschön.“ Das klang sperrig, devot und gestelzt. Aber man darf dem 46-Jährigen nicht Unrecht tun. Seine folgenden Ausführungen waren flotter.
Im Auftritt ist Kovac charmant, rhetorisch überaus eloquent entschärfte er gestern schnell selbst prominenteste Brandherde. Mit Robert Lewandowski habe er bereits vor der WM telefoniert, um ihm seine Wertschätzung mitzuteilen, berichtete er. „Er ist ein Weltklassestürmer, der viel für den FC Bayern geleistet hat und noch viel für diesen Verein leisten wird.“ Einen Abschied schloss er damit aus, ebenso bei Jerome Boateng: „Ich hatte in Frankfurt schon einen Boateng, Kevin-Prince, mit dem ich sehr
Lewandowski soll bleiben, bei Rebic sind die Kumpels uneinig
glücklich war. Ich bin genauso glücklich mit Jerome.“ Beide Münchner beschäftigen bekanntlich Wechselgelüste.
Am Kader habe er generell nichts auszusetzen, sagte Kovac, allerdings befeuerte er das Gerücht, er wolle seinen Landsmann Ante Rebic aus Frankfurt nachholen, indem er sagte: „Der steht jedem Team gut zu Gesicht.“ Salihamidzic meinte bei der Personalie schmallippig, der Kader sei gut genug. Mal sehen, ob sich die beiden Kumpels da noch mal zusammensetzen.
Kovac’ vorrangiges Ziel ist es aber, sagte er, erst mal jeden vorhandenen Spieler besser zu machen. Bei den meisten Münchnern ist nicht mehr viel Luft nach oben, aber ein Talent wie Renato Sanches sei eine Herausforderung, so der Coach. „Junge Spieler oszilieren immer wieder, das ist verständlich – aber er hat Fähigkeiten, die in der Bundesliga nicht alltäglich sind.“
In den nächsten Tagen hat Kovac viel Zeit, sich um Fälle wie den 20-jährigen Portugiesen zu kümmern – die deutschen WM-Stars sowie Lewandowski werden erst am 25. Juli das Training aufnehmen und auch die USA-Reise nicht mitmachen. Ehe der Kader Anfang August beim Trainingslager am Tegernsee zusammengefügt wird, werden die Stars zuhause von Peter Hermann betreut, der als Co-Trainer zurückkehrt und sich mit Robert Kovac die Aufgaben als Assistent teilen soll.
Das Trainer-Trio wird die Bayern hart rannehmen, deutete Salihamidzic an („ich habe gehört, Niko lässt intensiv trainieren“). Kovac bestätigte das mit einem Kurzreferat zu seiner Herkunft: Er wuchs in Berlin-Wedding auf, heute ist es da schick, damals war es „ein Arbeiterviertel, Randbezirk, ich musste mich in meinem Leben immer durchboxen“. Früh habe er gelernt: „Naturtalent reicht nicht, es braucht auch Arbeitertalent.“ So liest sich auch seine Vita.
Er sei sich im Klaren, wie hoch die Erwartungen in einer Stadt wie München sind, sagte er. „Und dass die Leute zunächst auf die Vita schauen: Was hat der geleistet?“ Er hat erst einen Titel geholt, neulich den Pokal, glücklicherweise gegen den FC Bayern. „Damit habe ich eine Kerbe im Colt, aber ich hoffe auf mehr“, sagte er. Ein passendes Bild: Im Wilden Westen nannten sie Neuankömmlinge Greenhorns, dem Stadium ist er nun schon entwachsen. Jetzt will er zu einem erfahrenen Westmann reifen. In München ist das eine schwere Aufgabe; laufen die Dinge schief, wird scharf geschossen. Aus allen Winkeln. Womöglich sogar von alten Kumpels. Herzlich willkommen.