Querpass zu Löw

von Redaktion

Der DFB gibt in der Trainer-Frage die Entscheidung an den Betroffenen ab – der soll schnell machen

VON ANDREAS WERNER

München – Joachim Löw ist nicht abgetaucht, hat sich in kein Kämmerchen verzogen – der Bundestrainer gibt sich betont lässig, wie aus Freiburg zu hören ist. Am Wochenende fuhr er im schwarzen Cabrio ins Café – dass es „Auszeit“ heißt, ist eine recht witzige Pointe –, um sich mit ein paar Bekannten zu treffen. Er saß im Sonnenschein, genoss seinen Espresso. Das klingt kaum nach einem Mann, der sich um seinen Posten sorgt.

DFB-Vize Koch: „Wir setzen darauf, dass er bleibt“

Aber muss er sich denn überhaupt Sorgen machen? Trotz der historisch in den Sand gesetzten Titelverteidigung hat sich die DFB-Spitze in einer Telefonkonferenz am Wochenende einstimmig und schnell darauf verständigt, es weiter mit dem 58-Jährigen zu versuchen. Sein Vertrag wurde erst kurz vor dem Turnier in Russland bis 2022 verlängert, ohne Not im Grunde, jedoch will man nun daran festhalten. Nun sei Löw am Zug, heißt es von Verbandsseite. Die Entscheidung über seine Zukunft obliegt dem Bundestrainer selbst, der DFB spielt also einen Querpass, und hätte er dem Ball nicht noch eine kleine, relativ forsch formulierte Botschaft hinterhergeschickt, wäre der Mangel an Entschlussfreudigkeit noch eine Stufe bedenklicher als ohnehin schon. „Wir haben mit Joachim Löw besprochen, dass die Entscheidung zügig fallen muss“, sagte DFB-Vize Rainer Koch dem Sportinformationsdienst. Eine Erklärung werde in den nächsten Tagen erwartet. Wie sie ausfallen wird? Koch äußerte da eine konkrete Vorstellung: „Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiter zu machen.“

Während die „SZ“ einen Vertrauten aus dem Umfeld des Bundestrainers zitiert, der gesagt haben soll, die Wahrscheinlichkeit, dass Löw aufhört, sei größer, als dass er weitermacht, hielt DFB-Präsident Reinhard Grindel dagegen, er sehe für eine Trennung „keine Anzeichen“. Das große Kaffeesatzlesen hat begonnen, die Wahrheit sieht nur Jogi Löw in seinem Espresso im Café „Auszeit“.

Beim Verband geht vor allem die Angst um, was es bedeuten würde, wenn man einen neuen Bundestrainer suchen müsste. Mit Schaudern erzählt man sich bis heute, wie es nach der blamablen EM in Portugal abgelaufen ist. Damals machte Rudi Völler umgehend den Weg frei, doch damit war das Problem ja noch lange nicht gelöst. Es begann laut der Legende damit, dass sich der damalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder auf eine Terrasse an der Algarve zurückzog und einige Tage Stillstand verursachte, da er in nachhaltiges Grübeln verfallen war. In seinen Augen war die Trainersuche Chefsache, in den Augen der anderen nicht. Die Medien zuhause machten sich in der sich ausdehnenden Wartezeit einen Spaß daraus, jeden Tag einen neuen Kandidaten durchs Land zu treiben. Unter anderem führten sie sogar Werner Lorant auf.

Als dann ernsthaft gesucht wurde (mit einer eigens dafür gegründeten Trainerfindungskommission um die damals noch über jeden Verdacht erhabene Lichtgestalt Franz Beckenbauer), sagten in Ottmar Hitzfeld und Otto Rehhagel die beiden Wunschkandidaten Nummer 1 und 2 ab. Erst dann schlug die Stunde von Jürgen Klinsmann, der bekanntlich einen gewissen Joachim Löw als Assistenten mit zum DFB brachte.

Diesmal gäbe es erneut keine echte Alternative, wenn der Bundestrainer gehen sollte. Traditionell ist das ein Problem, denn auch Völler kam einst nur zu dem Posten, weil er einst im entscheidenden Moment nicht schnell genug Nein sagte. Bei Löw hingegen liegen die Dinge ähnlich; seine letzte Vertragsverlängerung konnte er noch nach seinen Wünschen diktieren, in diesem Frühjahr unterschrieb er sehr gerne die nächste Verlängerung, denn auch er hat keine Alternativen. Ob das aber die ideale Basis einer weiteren Zusammenarbeit ist, ist fraglich. Und das macht Außenstehenden Sorgen.

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