Das Präsidium des DFB hat sich zu 100 Prozent für Bundestrainer Joachim Löw ausgesprochen. Also für den Mann, der die sportliche Verantwortung trägt für das von vielen als Fußball-Katastrophe empfundene Scheitern bei der WM. Diese massive Rückendeckung kommt zumindest insofern etwas überraschend, als gerade im Profifußball sportliches Versagen meist mit gnadenloser Konsequenz, also Trennung vom Trainer, abgestraft wird. Der DFB hat sich nun eben nicht von den Gesetzen des Branchenalltags inspirieren lassen, sondern konterte die Diskussion um Löws Zukunft mit solidarischem Beistand. Ein durchaus feiner und nachvollziehbarer Zug der hohen Funktionäre. Denn den offiziellen Vertrauensbeweis hat sich Löw redlich verdient.
Zur Erinnerung: Unter der Regie des Fußballlehrers aus dem Schwarzwald hat sich die Nationalmannschaft von einer spielerisch limitierten Kämpfertruppe in ein technisch und taktisch hochqualifiziertes Ensemble verwandelt, das seinem Publikum berauschende Darbietungen – inklusive den WM-Titel 2014 – zu bescheren wusste. Unter dem Strich ergibt das für den Bundestrainer eine großartige Bilanz. Der DFB tat also gut daran, Löws Verdienste zu würdigen. Nur bedeutet das aber noch lange nicht, dass Löw auch Bundestrainer bleibt.
Die Entscheidung, ob Löw seinen erst vor kurzem bis 2022 verlängerten Vertrag als Bundestrainer auch erfüllt, hat der DFB dem Coach selbst überlassen. Und der 58-Jährige wird sich nun in den kommenden Tagen ganz genau überlegen müssen, wie groß sein in Russland erlittener Imageschaden ist. Dabei sollte nicht ganz vergessen werden, dass sich der deutsche Fußball vor einem Jahr noch eines üppigen Spielerpotenzials rühmte. Mit einer B-Auswahl wurde der Confed Cup gewonnen, die U 21 holte den EM-Titel, 2016 erkämpfte das Olympia-Team Silber, gleichzeitig glänzte das A-Team in der WM-Quali. Nicht von ungefähr rief Löw daraufhin für seine Nationalspieler den härtesten Konkurrenzkampf seiner Amtszeit aus. Die Voraussetzungen für die Operation Titelverteidigung schienen ideal zu sein. In Russland aber präsentierte sich das DFB-Team als extrem leblos und uninspiriert.
Löw wird sich die Frage stellen müssen, wie groß seine Mitschuld am Trauerspiel war. Und ob er noch die Autorität hat, die von ihm selbst geforderten „tiefgehenden Maßnahmen“ zu verwirklichen.