Wie schnell ist Russland unterwegs?

von Redaktion

Eine Frage zu Russland, zum WM-Land, die wir selbst uns stellten und an deren Auflösung wir seit Wochen arbeiten, lautet: Ist das hier eigentlich ein schnelles Land? Oder ein gemächliches?

Wir kamen drauf, weil wir hier in Moskau Heerscharen von Essensdienst-Boten sahen, die Generation Delivery, erkennbar an den bunten und quadratischen Boxen auf dem Rücken. In Deutschland sind sie auf Fahrrädern unterwegs durch den Asphaltdschungel. im steten Kampf gegen die Gesetze der Physik und die Uhr. In Russland: Sie haben es nicht eilig. Sie gehen zu Fuß. Und steigen dann halt in Bus oder Metro.

Für die Langsam-These spricht auch, was man ja immer aus Moskau gehört hat. Auf allen Straßen Blechlawinen, für ein paar Kilometer würde man Stunden brauchen, überall Stillstand. Könnte ich nicht bestätigen.

Ich habe manchmal auf dem Handy eine Geschwindigkeits-App mitlaufen, die GPS-Signale aufnimmt. Da wurden einige imposante Marken erzielt: auf der Autobahn nach Watutinki im Taxi 136 km/h. Mit dem Linienbus auf einer Stadtstrecke 41 km/h (auf der nicht durchgehend asphaltierten Straße waren es auch nicht schlechte 28 km/h). Die Metro – schwer zu messen, da in der Regel so weit unter der Erde, dass keine GPS-Ortung mehr möglich ist. Außer an wenigen Stellen, an denen sie überirdisch fährt. Dort gemessen: 71 km/h.

Am interessantesten war, herauszufinden, welchen Speed die legendären Rolltreppen hinab in die und herauf aus der Metro entwickeln.

In der EU existiert natürlich eine Norm. Demnach sind drei Geschwindigkeiten erlaubt: 0,5 Meter pro Sekunde (1,8 km/h), 0,65 Meter (2,34 km/h) oder 0,75 Meter (2,7 km/h). Russland gehört nicht zur EU, und das ist rolltreppentechnisch gut so.

Russland rollt viel schneller. Hier hat man nie den Eindruck, man müsse links an den Stehenden vorbeihasten. In Russland stehen alle auf der Rolltreppe, denn sie ist flott genug. Problem bei der App auch hier: Dass sie in der Tiefe irgendwann den Dienst versagt. Doch oben, wo es ging, waren wir locker über 3 km/h. Und ich schwöre: Da war ein kurzer Ausschlag bis 7 km/h. Ein Messfehler?

Was es in Russland nicht gibt, ist dieses hektische Gerenne in Richtung eines stehenden und abfahrbereiten öffentlichen Nahverkehrsmittels, das begehrliche Gegen-die-Tür-hämmern. Macht kein Russe – und nicht weil er langsam wäre, sondern weil er weiß: Es kommt schnell die nächste Fahrgelegenheit. In der Metro beginnt die Zeitanzeige zu laufen, wenn der Zug abfährt. Keine zwei Minuten später muss der nächste da sein. Russland macht sich Druck: schnell zu sein. Günter Klein

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