Wimbledon – Auf 18 Plätzen wird in Wimbledon Tennis gespielt, und Florian Mayer kennt sie alle. Er war mit Novak Djokovic auf dem Centre Court, er lag platt auf dem Boden mit Blick in den blauen Himmel nach seinem allerbesten Spiel auf Court 3, den Einser lernte in seinem Debütjahr kennen, und auf dem Neuner schloss er das Kapitel Wimbledon nun ab. Es endete mit einer Niederlage gegen den Tschechen Jiri Vesely, aber damit konnte er leben. „Ich hatte Spaß auf dem Platz, das war das Wichtigste“, berichtete er hinterher ganz entspannt in einer kleinen Runde.
Seit der Bayreuther vor ein paar Wochen verkündet hat, er werde seine Karriere nach den US Open beenden, nimmt er an jeder der bekannten Stationen Abschied; an manchen sind damit weniger Gefühle verbunden, an anderen mehr, und Wimbledon gehört definitiv zur zweiten Kategorie.
Bei den ersten Auftritten vor 14 Jahren als schüchterner Debütant verblüffte er nicht nur die Tenniswelt, sondern auch sich selbst. Das erste Spiel – eines seiner ersten Spiele auf Rasen überhaupt – gewann er in drei Tiebreaks gegen den routinierten Südafrikaner Wayne Arthurs, völlig ungerührt machte er weiter, nach ein paar Tagen landete im großen Interviewraum des All England Clubs und in der Times; alle staunten über den jungen Deutschen mit dem Allerweltsnamen Mayer, über dessen eingesprungene Rückhand, die eingesprungene Stopps, über Hechtsprünge und seine Bierruhe davor und danach. In seinen besten Spielen verblüffte er auch in der Statistik mit irren Werten: 60 winner, 20 unforced errors, solche Dimensionen.
Das Debüt führte ihn ins Viertelfinale, und damit landete er auf Anhieb im sogenannten Last-8-Club. Für die Mitglieder dieses Clubs steht auch nach deren Laufbahn eine Suite bereit, in der Snacks und Getränke serviert werden, und so gesehen weiß Florian Mayer, dass es ihm bei zukünftigen Besuchen in Wimbledon immer gut gehen wird. Er ist jetzt 34, er könnte schon noch ein wenig weiterspielen, aber er mag nicht mehr. Auf immer schnelleren Belägen tut er sich zunehmend schwer mit seinen trickreichen Spiel, und auch die Athletik der jungen Generation macht ihm zu schaffen.
Er weiß aus diversen längeren Auszeiten, erzwungen durch Krankheiten und Verletzungen, dass er mit dem Leben an sich genug anfangen kann; er braucht das Spiel und die Tennisplätze dieser Welt nicht, um glücklich zu sein. So schüchtern wie beim Debüt in Wimbledon ist er nicht mehr, aber nach all den Jahren gehört er immer noch zu den stillen Zeitgenossen der Tour.
16 Einzel gewann Mayer im All England Club und verlor zwölf, wie beim ersten Start erreichte er 2012 noch einmal das Viertelfinale, und er versichert, es gebe viele Begegnungen, an die er sich gern erinnere aus dieser Zeit. Aus der anfänglichen Skepsis gegenüber dem Spiel auf Rasen entwickelte sich im Laufe der Jahre eine sehr stabile Beziehung, und er hätte nichts dagegen gehabt, für den Rest seiner Karriere auf der grünen Wiese zu spielen. „Ich glaub, ich hatte den Vorteil, dass ich mich ganz gut bewegen kann auf Rasen“, sagt er. „Und wenn das Wetter feucht und rutschig war, kam mir das entgegen.“
Bei seinem letzten Spiel gab es bei Wärme und Sonnenschein nichts zu Rutschen. In der Nacht zuvor schlief er nicht besonders gut, und als es losging staunte er selbst darüber, wie nervös er war. Das Spiel begann mit einem Punkt für ihn und endete zweidreiviertel Stunden später mit dem Matchball für Vesely, der ihn danach mit einem freundschaftlichen Klaps am Netz verabschiedete. Das war es also mit Florian Mayer und den All England Championships. Er weiß schon jetzt, wie sehr er den grünen Hort seiner speziellen Beziehung zum All England Club vermissen wird. „Es gibt schon Turniere, bei denen ich traurig bin, dass ich sie nicht mehr spielen kann. Dazu gehört Wimbledon, aber auch Halle, Hamburg, meine Favoriten.“
In Hamburg bei den German Open wird er Ende Juli noch einmal spielen, und er freut sich darauf, als Finalist des vergangenen Jahres noch mal auf dem Centre Court aufzutreten. Ob er dann zum guten Schluss wie geplant bei den US Open den Schlusspunkt setzen wird, hängt davon ab, ob er im Hauptfeld landen wird; im Moment sieht es in dieser Sache ganz gut aus. Und dann? Wird man ihn zukünftig in einer anderen Rolle im Tennis wiedersehen? „Das weiß ich jetzt noch nicht“, sagt Florian Mayer zum Ende der kleinen Gesprächsrunde in Interviewraum Nummer sieben. „Ich will jetzt erstmal das Kapitel meiner eigenen Karriere gut zu Ende bringen, dann schau’n wir weiter.“