München – Das in Raubling ansässige Radteam Bora-hansgrohe startet zum fünften Mal bei der Tour de France. 2017 feierte der oberbayerische Rennstall dank Peter Sagan seinen ersten Etappensieg beim berühmtesten Rad-Rennen der Welt. Nach einem Crash wurde der Weltmeister aus der Slowakei allerdings disqualifiziert – ein schwerer Schlag für das Bora-Team. Erst Monate später wurde bei einem Hearing des Radsport-Weltverbandes UCI entschieden, dass das Urteil der Tour-Jury eine Fehlentscheidung gewesen war. Unsere Zeitung unterhielt sich mit dem Raublinger Ralph Denk, Teammanager von Bora-hansgrohe, vor dem Start der 105. Frankreich-Rundfahrt (7. bis 29. Juli) unter anderem auch darüber, ob Sagan noch eine Rechnung offen hat mit der Tour.
-Ralph Denk, die Tour ist stets der Höhepunkt der Rad-Saison. Wie groß ist Ihre Zuversicht als Teammanager?
Die letzten Wochen hat unser Team beeindruckende Form bewiesen. Wir haben Meistertitel gewonnen in Deutschland, Österreich, der Slowakei. Wir haben eine gute Tour de Suisse gefahren, eine gute Dauphiné. Wir sind präpariert.
-Im vergangenen Jahr gab es ja den Eklat um Ihren Kapitän Peter Sagan, der nach einem Zusammenstoß mit Mark Cavendish zu Unrecht disqualifiziert worden war. Hat Bora somit noch eine Rechnung offen mit der Tour?
Wir haben inzwischen ja eine außergerichtliche Einigung mit der UCI gefunden. Das ist also vom Tisch. Peter ist auch rehabilitiert worden. Er hat sicher keine Revanchegedanken. Wir schauen jetzt nur nach vorne.
-Sie haben ja quasi zwei Kapitäne: Sagan für das Grüne Trikot, Rafal Majka für das Gesamtklassement. Wie sind die Aufgaben der Helfer verteilt?
Wenn man eine Doppelspitzen-Strategie fährt, dann muss man schon Abstriche machen. Teams wie etwa Sky oder Movistar konzentrieren sich ganz auf die Berge, die haben natürlich überwiegend Bergfahrer dabei. Wir haben nur zwei Helfer für unseren Bergspezialisten Majka. Und zwar den Polen Pawel Poljanski und den Österreicher Gregor Mühlberger. Es kann schon sein, dass Majka bei den Schlussanstiegen alleine ist. Aber er ist halt nur ein Kandidat von Top 10 bis Top 5. Er ist aber kein Garant für’s Podium.
-Nur zwei Helfer – für Majka ist das ein hartes Brot …
Rafal hat es ja auch noch nie bewiesen, dass er am Ende in Paris auf dem Podium stehen kann. Wenn er jetzt zwei, drei Mal auf’s Podium kommen würde, dann müssten wir unsere Strategie überdenken. Aber so muss er halt da durch.
-Ihr Sprintspezialist Sam Bennett hat beim diesjährigen Giro d’Italia drei Etappen gewonnen. Warum ist er nicht dabei?
Es ist der Anspruch unserer Sponsoren im World-Tour-Ranking, das vergleichbar ist mit der Champions League im Fußball, gut platziert zu sein. Und somit müssen wir bei jedem großen Rennen Punkte holen. Klar, jeder will zur Tour. Aber da kann ich nicht auf die persönlichen Wünsche Rücksicht nehmen. Der Giro ist für uns genauso wichtig wie die Tour. Weil es genauso viel Punkte für den Etappensieg gibt. Insofern war es mit Sam abgestimmt, dass er die Frankreich-Rundfahrt auslässt.
– Emanuel Buchmann gilt als hochbegabter Klassementfahrer. 2015 erreichte der 25-Jährige einen sehr respektablen 15. Platz in der Tour-Gesamtwertung. Warum ist er nicht im Bora-Aufgebot?
Buchmann hat eine super Saison gefahren. Er hat noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht. Der nächste Schritt ist die Leader-Rolle bei einer großen Rundfahrt. Und die wollen wir ihm im Herbst bei der Spanien-Rundfahrt geben. Da wird er eine starke Mannschaft an seiner Seite haben. Das braucht Emanuel, um sich weiter zu entwickeln. Ich erwarte von ihm dabei, dass er die Mannschaft führt, die Leute motiviert. Das ist wie bei einem Chef in einem Unternehmen. Emanuel hat das über drei Wochen hinweg bei einer Landesrundfahrt noch nie gemacht. Für ihn ist das ein Lernprozess. Und ich bin mir sicher, dass er eines Tages in unseren Farben zur Tour de France als Kapitän fährt.
-Das große Thema im Vorfeld der Tour war die Salbutamol-Affäre des vierfachen Tour-Siegers Christopher Froome. Der Brite wurde positiv getestet – trotzdem wurde er nun vom Dopingvorwurf freigesprochen. Wie bewerten Sie diese umstrittene Entscheidung?
Ich bin froh darüber.
-Warum?
Weil der Freispruch bedeutet, dass er nicht gedopt hat und wir uns auf den Sport konzentrieren können.
-Und was ist mit dem deutlich überschrittenen Grenzwert?
Es stimmt: Froome wurde getestet, und es ist ein zu hoher Wert festgestellt worden. Aber er hat trotzdem die Erlaubnis bekommen zu starten. Viele haben daraufhin auf den Weltverband UCI eingehauen. Aber die UCI hat sich dem Code der Welt-Anti-Doping-Kommission WADA unterworfen. Die WADA ist das höchste Gut, das wir im Sport haben. Und der WADA-Code sagt: Wenn man Salbutamol (ein Asthma-Mittel/d. Red.) verschrieben bekommen hat und der Grenzwert überschritten wird, darf man weiterfahren. Nun hat die UCI also Froome freigesprochen. Aber die WADA hätte die Möglichkeit einen Einspruch zu erheben. Doch die WADA ist eben auch mit dem Freispruch einverstanden, weil er im Einklang mit ihren Regularien ist. Somit muss ich dem Ganzen Glauben schenken, dass alles in Ordnung ist und Froome zu Recht freie Fahrt hat.
-Trotz allem ist das für die Öffentlichkeit nur sehr schwer nachvollziehbar: Froome darf trotz eines positiven Tests bei der Tour mitfahren …
Das ist richtig. Aber man darf da eines nicht vergessen: Wäre Froome ein Langläufer oder Biathlet gewesen, dann wäre er genauso gestartet. Deswegen sage ich auch: Der WADA-Code gehört reformeirt. Aber das obliegt der WADA – und ist nicht Sache des Radsports.
-Zurück zur Tour. Worauf wird es diesmal ankommen, um gut abzuschneiden? Wo sind die Knackpunkte?
Wir werden sicher eine ganz spannende erste Woche haben. Die ersten Etappen am Atlantik sind sehr windanfällig. Wir haben am dritten Tag zudem ein mit 33 Kilometern sehr langes Mannschaftszeitfahren. Da wird noch keine Vorentscheidung fallen, aber da trennt sich schon mal die Spreu vom Weizen. Die neunte Etappe ist auf Kopfsteinpflaster – 15 Sektoren von Paris – Roubaix. Erst nach zehn Tagen fahren wir in die großen Berge rein. Ich denke, dass bis dahin der eine oder andere Favorit ins Hintertreffen geraten wird. Das sorgt für Extra-Spannung. Für uns heißt es da, enorm aufzupassen.
– Was hat sich Ihr Team vorgenommen?
Die Zielsetzung ist ganz klar: Grünes Trikot für Peter Sagan, mindestens ein Etappensieg und Rafal Majka unter den besten Fünf – dann wären wir glücklich.
-Gelb steht nicht auf Ihrer Wunschliste?
Das ist tatsächlich nicht unser primäres Ziel. Aber wenn das Gelbe Trikot in Reichweite kommen würde, würden wir schon hinlangen.
Das Interview führte Armin Gibis