München – Eine Profikarriere quasi ohne Umzüge ist eine Rarität im Wanderzirkus namens Profifußball, doch Stefan Lex, 28, ist drauf und dran, dieses Kunststück fertig zu bringen. Einmal, zu Fürther Zeiten, hat der gebürtige Erdinger für ein Jahr im Frankenland gelebt, sonst immer in Eitting, wo er tief verwurzelt ist. Pendler war er auch die letzten vier Jahre beim FC Ingolstadt – künftig hat er es noch ein bisschen näher. Er stürmt ab sofort für den TSV 1860, den Herzensverein der kompletten Familie Lex.
-Stefan Lex, Löwen-Fans holen sich gerne Handynummern, die auf 1860 enden – oder zahlen Geld dafür, diese Zahlenfolge als Autokennzeichen zu haben. Sie toppen das mit dem Datum Ihrer Vertragsunterschrift am 18. Juni, dem 18.06.18. Wie der Hochzeitstag eines Superfans. Zufall oder schicksalhafte Bestimmung?
Echt? Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Stimmt: Es war der 18. Juni, aber da steckt keine Absicht dahinter.
-Sind Sie denn wirklich so ein großer Löwen-Fan, wie alle sagen?
Ja, doch. War ich schon immer. Olympiastadion, 2. Liga im Grünwalder, später Allianz Arena – ich war überall dabei. Sogar zweimal im Auswärtsblock, als die Löwen in Ingolstadt gespielt haben. Das war aber, bevor ich zum FCI gewechselt bin.
-Was war das einschneidende Erlebnis, das Sie zum Löwen-Fan gemacht hat?
Ich kann mich an keines erinnern. Mein Vater war schon immer Löwen-Fan und hat mich wahrscheinlich geprägt. Für mich hat’s von Haus aus nichts anderes gegeben.
-Gibt es in Eitting, wo Sie herkommen, mehr Blaue oder mehr Rote?
Zu Bundesligazeiten waren’s eher mehr Blaue. Das hat zwischenzeitlich ein bisschen nachgelassen, durch den Aufstieg aber wieder angezogen. Es gab auch fast nur positiven Zuspruch, als ich jetzt bei 1860 unterschrieben habe. Beim Bäcker oder so. Wobei der eh ein Riesenblauer ist. Auf dem Land scheint die Welt noch in Ordnung zu sein – da gibt’s nicht so viele Erfolgsfans (lacht).
-Verraten Sie doch mal: Wie haben Sie Meppen 1994 erlebt, wie Leeds 2000, wie Saarbrücken im Mai, um ein paar markante Stationen der jüngeren Club-Historie zu nennen?
An den Aufstieg in Meppen kann ich mich nicht so richtig erinnern, da war ich noch zu klein. Bei der Champions-League-Quali gegen Leeds hab ich am Fernseher mitgefiebert, das weiß ich noch. Und Saarbrücken jetzt, da waren wir im Urlaub. Leider konnte ich die Relegation nur im Liveticker verfolgen, weil’s in Amerika rechtlich nicht möglich war, BR zu schauen. Ich bin aber extra um 6 Uhr aufgestanden und hab mich auch geärgert, dass ich nicht live im Stadion dabei war.
-War der Aufstieg auch für Sie persönlich wichtig? Sie wären ja wohl kaum in die 4. Liga gewechselt . . .
Doch, ich hätte auch für die Regionalliga unterschrieben. Ich hab auch gesagt: Wegen mir können wir es schon vor dem Urlaub fix machen. Da hieß es aber vom Verein: Wir sind leider noch nicht soweit.
-Ein Stürmer im besten Alter, der in der Bundesliga gespielt hat, wäre freiwillig so tief abgestiegen?
Warum nicht? Ich hatte schon im März ein sehr gutes Gespräch mit Daniel Bierofka (dem Löwen-Trainer/Red.), hatte da auch das Gefühl, dass alles dafür getan wird, notfalls halt 2019 aufzusteigen. Man hat schon sehen können, dass ein klarer Plan. Dann hätten wir den Aufstieg halt zusammen angepackt.
-Die traditionellen Querelen zwischen den Gesellschaftern haben Sie nicht abgeschreckt?
Natürlich macht man sich ein paar Gedanken. Die Entwicklung der letzten Jahre hab ich schon mitgekriegt – sicherlich mehr, als wenn ich woanders in Deutschland aufgewachsen wäre. Mir ist bewusst, dass es manchmal ein bisschen chaotisch ist, aber ich hab mich bewusst dafür entschieden, zu einem Verein zu gehen, wo mehr los ist, wo es eine gewachsene Fanbasis gibt. Ich war jetzt vier Jahre im ruhigen Ingolstadt und wollte mal eine andere Seite des Fußballs erleben.
-Gibt es jemanden im Verein, von dem Sie sich Tipps geholt haben?
Von den aktuellen Spielern kannte ich keinen so gut, um mir einen Rat zu holen. Ich hab immer mal mit Vitus Eicher gesprochen, der ja lange bei 1860 war. Vor allem aber hab ich auf das vertraut, was mir der Trainer über sein Projekt erzählt hat.
-Warum hat es denn nicht vorher mal mit einem Wechsel geklappt? Es gab ja immer wieder Kontakt.
In der E-Jugend haben meine Eltern gesagt, es ist noch zu früh. In der U 16 gab’s die nächste Chance, aber ich hab damals in Freising kaum gespielt – was hätte ich da bei 1860 sollen? Später wollte mich dann Alex Schmidt für die Profis, aber da zog sein Sportchef nicht mit. Damals wirkte es, als würden da nicht alle die gleiche Sprache sprechen – ein Gefühl, das ich diesmal nicht habe.
-Und: Wie fühlt es sich jetzt an, das Löwen-Trikot zu tragen?
Sehr gut, aber eigentlich ist das ja nichts Neues für mich. Ich hab ja einige daheim im Schrank. Ungewohnt ist nur, dass ich’s jetzt im Spiel trage. Das freut mich schon sehr.
-Stimmt eigentlich die Geschichte mit dem alten Bierofka-Trikot, das Sie angeblich zu Hause im Schrank haben?
Das mit dem Trikot stimmt, allerdings ist da die „28“ drauf – die Rückennummer, die er ganz früher hatte. Dass ich jetzt die „7“ hab wie er später, war nicht wirklich Absicht – die war halt gerade frei. Und die „14“, die ich in Ingolstadt hatte, war belegt.
-Auf jeden Fall haben Sie jetzt Ihr einstiges Idol als Trainer. Wie ist das so?
Echt spannend. Auch, weil er ein Stück weit so spielen lässt, wie ich ihn damals als Fan erlebt habe. Ich spiele ja eine ähnliche Position wie er damals, so gesehen kann ich viel von ihm lernen.
-Kurz ausgedrückt dürfte das Motto lauten: Vollgas!
Das ist auf jeden Fall die oberste Maxime (lacht).
-Sie sehen ihn allerdings selten, weil er in Hennef den Fußballlehrer macht. Ist das schwierig?
Eigentlich nicht. Im Gegenteil. Die Einheiten sind intensiv genug, und wenn sich der Ärger darüber auf zwei Trainer verteilt, kann das auch ein Vorteil sein. Und im Ernst: Im Training ist auch Zug drin, wenn er nicht da ist.
-Sie haben ja den Vergleich als früherer Zweit- und Erstligaspieler: Wie gut ist 1860 aufgestellt?
Die Qualität ist richtig gut, auch das Trainingsniveau. Da sehe ich keine großen Unterschiede. Wobei ich die 3. Liga nicht so kenne und auch nicht so einschätzen kann. Ich glaub, dass die heuer richtig stark ist. Lautern, Karlsruhe, Braunschweig – das sind alles gefühlt mindestens Zweitligisten. Wir sind allerdings auch gut aufgestellt.
-Der Start hat es gleich in sich, es geht zu Absteiger 1. FC Kaiserslautern.
Stimmt. Recht viel schwerer geht’s nicht. Am ersten Spieltag weiß allerdings keiner, wo er steht – deswegen könnte das auch ein Vorteil sein. Super wär’s, wenn wir gleich was mitnehmen könnten, einen Punkt oder vielleicht sogar einen Auswärtssieg.
-Es folgt am 4. August das Heimspiel gegen Lotte. Eitting hat 2392 Einwohner. Für wie viele Freunde und Bekannte müssen Sie Karten besorgen?
Bis jetzt haben noch nicht so viele angefragt. Das kommt aber noch, da bin ich mir sicher. Ich hoffe nicht, dass es so viele werden wie mal in Ingolstadt. Da hab ich debütiert, gleich gegen Sechzig – und musste 85 Karten kaufen.
-Bestimmt kommen Ihre Eltern auch. Wie glücklich sind die, dass Sie jetzt für die Löwen stürmen?
Die ganze Familie freut sich. Sie sind sehr froh, dass ich bei 1860 bin – und vor allem, dass ich nicht wegziehen muss. Ich bin ja erst im März in mein neues Haus gezogen.
-Freuen Sie sich schon auf Ihr Heimdebüt im Grünwalder Stadion, das Sie ja vor allem von früher kennen?
Stimmt nicht ganz. Wir haben ja letztes Jahr im DFB-Pokal gegen 1860 gespielt (und 1:0 gewonnen/Red.). Das war natürlich grandios von der Stimmung her. In Ingolstadt haben wir zwei Klassen höher gespielt, hatten aber 3000 weniger beim Zuschauerschnitt. Meine ganzen Kumpels stehen ja in der Kurve und posten immer Fotos. Ich glaub schon, dass das spaßig wird.
-Bei 1860 schwärmen alle vom tollen Teamgeist. Spüren Sie den?
Ja, man spürt schon diesen Zusammenhalt. Sie haben was zusammen erreicht, das schweißt zusammen. Unsere Aufgabe als neue Spieler ist jetzt, das nicht kaputtzumachen. Oder besser ausgedrückt: Sich einzufügen. Hat man ja auch bei der WM gesehen: So viele Mannschaften gibt’s nicht, die besser sind als die anderen. Ein kleineres Team mit gutem Teamgeist kann da jederzeit einen großen Favoriten schlagen.
-Mussten Sie zum Einstand in der Kabine auch ein Lied singen?
Bis jetzt nicht. Ich hab einen Witz erzählt, alle haben gelacht – und dann haben sie mich wieder gehen lassen von der Bühne. Ich hoffe, damit ist es gegessen.
-Was für ein Witz war das?
Kann ich nicht in der Zeitung erzählen. Der war nicht ganz jugendfrei – und unseren Fitnesstrainer hab ich auch mit eingebaut (grinst). Das war schon ganz lustig, denke ich.
-Markus Ziereis hat mal geklagt, dass bei 1860 keine Schafkopfrunde mehr zusammengeht. Konnten Sie mithelfen, diesen Missstand zu beheben?
Ja, wir haben jetzt schon öfter gespielt. Der Zier, Marius Willsch, Kristian Böhnlein und ich. Auch die Waschfrau hat schon mal mitgespielt. Bis jetzt passt alles. Ich hab ein gutes Gefühl bei Sechzig.
Interview: Uli Kellner