Lektionen für Deutschland

von Redaktion

Von Multikulti über Teamgeist bis zur Taktik – der DFB kann vom Weltmeister einiges lernen

VON ANDREAS WERNER

München – Der Sportinformationsdienst hat gestern eine witzige Liste in die deutschen Redaktionen geschickt: „Wo Deutschland noch Weltmeister ist.“ In der Aufzählung tauchte unter anderem Beachvolleyball auf, Rudern, Rodeln, Eiskunstlauf, Faust- und Radball, auch Tischfußball – und, kaum einer weiß das: Deutschland ist im Minigolf eine Macht. Egal, ob an der Schnecke, an der Wippe oder im Looping – im letzten Jahr machte den Deutschen bei der WM in Kroatien keiner was vor, weder bei den Männern noch den Frauen.

Lahm positioniert sich als Kritiker mit Durchblick

In der DFB-Zentrale werden die Verantwortlichen die Liste nicht ganz so witzig gefunden haben. Bis zum Sonntagnachmittag führte „König Fußball“ diese weltmeisterliche Aufzählung noch an, angesichts der jüngeren Vergangenheit lesen sich nun aber Twitterbeiträge wie der von Lukas Podolski gestern recht merkwürdig, ja, sie verstören sogar. „Passt gut auf meine WM-Trophäe auf“, schrieb er an die Adresse der Franzosen. Da war sicherlich ein Augenzwinkern dabei – der Gedanke jedoch, die Trophäe würde in viereinhalb Jahren über den Umweg Katar umgehend wieder zurück in die deutsche Vitrine wandern, zeugt nicht gerade von Realitätssinn.

Doch nicht alle Weltmeister von 2014 verkennen die Zeichen der Zeit. In Philipp Lahm positioniert sich dieser Tage ein Kritiker mit Durchblick. „So, wie es jetzt passiert ist, kann es nicht weitergehen“, so der Ex-Kapitän, „wir wollen, dass Deutschland wieder erfolgreichen Fußball spielt. Da sollten wir alle nach Lösungen suchen.“ Interessant ist, dass er sich selbst da in die Verantwortung einbezieht. Der 34-Jährige möchte sich beim DFB einbringen, und er scheut dabei erfreulicherweise auch keinen Konflikt mit seinem ehemaligen Förderer Joachim Löw. Dem Bundestrainer legte er bereits einen anderen Führungsstil nahe, nun gab er sich kritisch, weil der Verband dazu tendiert, die Entwicklung rund um die WM fatalerweise zu bagatellisieren. Es müsse an „mehreren großen Schrauben gedreht werden“, so der ehemalige Bayern-Kapitän.

Frankreich hat dem DFB einige Lektionen erteilt, der Verband kann vom Weltmeister einiges lernen. Zehn der elf Spieler aus der Startformation im Finale haben einen Migrationshintergrund, und dennoch herrschte ein Teamgeist, der die „Equipe Tricolore“ durch das Turnier trug. In Sachen Taktik befand sich die „Grande Nation“ auch auf der Überholspur, obwohl ihr dabei die Finesse fehlte, die Löws Deutschland an guten Tagen ausstrahlte. In der

Am 6. September steht in München das erste Duell an

„SZ“ liest sich das Zeugnis für die DFB-Auswahl von Stefan Reinartz erschreckend. Beim Verteidigen der Konter sei nur Tunesien schlechter gewesen, so der frühere Profi, der inzwischen als Analyst arbeitet. Löws Ballbesitzfußball sei nicht tot, doch es fehle eine Absicherung wie etwa ein N’Golo Kanté. Die dramatische Formschwäche der deutschen Sechser ist sicherlich das Problem, das am leichtesten zu beheben sein dürfte.

Bereits am 6. September wird es in München im Rahmen der neuen Nationsleague zu einem ersten Duell zwischen dem alten und dem aktuellen Weltmeister kommen. Eine Standortbestimmung bei neuen Bedingungen. Frankreich ist nun Maß aller Dinge. In Paris wurden den Stars zu Ehren zeitweise extra einige Metrostationen umbenannt. „Notre-Dame des Champs“ heißt etwa gerade „Notre Dame Didier Deschamps“. Solche Weihen erfahren Weltmeister im Minigolf nicht.

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