München – Es war der übelste Querschläger dieser WM, und Wilfredo „Willy“ Caballero verlor dafür auch prompt seinen Posten im Tor von Argentiniens Nationalelf. Nachdem er Kroatiens Stürmer Ante Rebic den Ball mit einer katastrophalen Bogenlampe serviert und dieser das Missgeschick mit einem Tor sanktioniert hatte, wurde das 0:3 im zweiten Vorrundenspiel zur Abschiedsvorstellung des Torwarts vom FC Chelsea. Caballero heißt auf Deutsch Ritter – in dem Fall ein Ritter von der traurigen Gestalt. In die Elf der größten Flops dieser WM schaffte es der Südamerikaner trotz seines Lapsus nicht. Es gab größere Enttäuschungen als Caballero.
Im Tor empfahl sich David de Gea. Spaniens Nummer 1 verdient bei Manchester United 350 000 Pfund in der Woche – so viel wie kein Zweiter Keeper bei dieser WM –, und doch findet er sich am Ende in den Statistiken ganz unten. 40 Torhüter wurden in Russland eingesetzt, darunter der 45-jährige Ägypter Essam El-Hadary, de Gea ist 40. in der Liste der Besten. Er hielt nur einen Schuss, der auf sein Tor zukam. Auch beim Elfmeterschießen gegen Russland landeten alle vier Versuche der Gastgeber in seinem Kasten.
In der Abwehr der Enttäuschungen hat sich in Sergio Ramos ein weiterer Spanier einen Platz gesichert; eigentlich ist der Kapitän ein Garant für Siege, notfalls auch für dreckige. In Russland gingen zwei der fünf Gegentore in der Gruppenphase mit auf seine Kappe. Der Argentinier Nicolas Otamendi von Machester City erwies sich ebenfalls zu keiner Phase als verlässlicher Prellbock. Die Südamerikaner scheiterten nicht an ihren Möglichkeiten in der Offensive, sondern auch an den Nachlässigkeiten hinten. Joshua Kimmich wurde vom Abwärtstrend der deutschen Nationalelf mit hinuntergezogen. Noch sucht er die richtige Mischung aus Vorwärts- und Rückwärtsbewegung, in Russland setzte sich fort, was bereits in den Duellen mit seinem FC Bayern mit Real Madrid erkennbar war: Zu Philipp Lahm fehlt noch einiges.
Neymar ist ein Kapitel für sich in dieser Geschichte. Der Brasilianer spielte an und für sich eine starke WM – mit seinen Schauspieleinlagen aber verprellte er die Fans und eröffnete zudem einen Nebenkriegsschauplatz, den keiner braucht. Weniger Kapriolen, und Brasilien hätte mehr aus diesem Turnier herausholen können. Die Ex-Weltmeister Sami Khedira und Thomas Müller waren Schatten ihrer selbst. Es wirkte, als hätten sie gar nicht teilgenommen. Bei Toni Kroos blieb zwar ein traumhafter Freistoß gegen Schweden in Erinnerung, in der Analyse aber kaschiert der Kunstschuss auf keinen Fall ein deutsches Kernproblem: Verlass dich auf Kroos, und du bist verlassen. Er ist nur in einem funktionierenden Team gut. Sonst taucht er ab. Und für eine Führungskraft fehlt ihm der Überblick abseits des grünen Rasens.
Lionel Messi darf man gespalten sehen: Argentiniens Top-Star erzielte eines der schönsten Turniertore – aber geprägt hat er die WM nicht. Seine Südamerikaner fanden nie zueinander, sie stolperten durch Russland, und selbst der Edeltechniker konnte sie nicht in die Spur bringen. Bei Robert Lewandowski handelt es sich um eine der größten Enttäuschungen – abseits des deutschen Desasters. Der Pole wollte mit Toren auf sich aufmerksam machen, sich für Real Madrid empfehlen, stattdessen verabschiedete er sich nach der Vorrunde ohne nennenswerte Abschlüsse. Haften blieb nur sein Rundumschlag, bei dem er seinen Kollegen die nötige Klasse absprach. Lewandowski gab in Russland kein gutes Bild ab, auf und neben dem Platz.
Ousmane Dembele ist ein Beispiel dafür, dass man sogar als Weltmeister verlieren kann. Der frühere Dortmunder war in der Gruppenphase nur ein Mitläufer und kam in der K.o.-Runde gerade noch zwei Minuten zum Einsatz. Nicht alles ist weltmeisterliches Gold, was glänzt. Ab und an sind die Namen, ist der Ruf, einfach größer als die Realität. Bei Argentinien war übrigens auch der Ersatz für Caballero kein großer Gewinn. Obwohl er nach Qualität klang: Franco Armani.