Frankfurt – Nächste Niederlage für Martin Kind im Streit um die 50+1-Regel: Der Hörgeräte-Unternehmer – Feindbild vieler Fans von Hannover 96 – darf nicht Mehrheitseigner des Bundesligisten werden. „Ein Armutszeugnis“, nannte der Clubchef die gestrige Ablehnung einer Sondergenehmigung. „Ich bin von der DFL als Unternehmen enttäuscht“, erklärte Kind. Der 74-Jährige will sich aber nicht geschlagen geben.
Vereine der ersten und zweiten Liga erhalten nur eine Lizenz, wenn der Stammverein nach einer Ausgliederung der Profi-Abteilung in eine Kapitalgesellschaft weiter die Mehrheit der Stimmanteile besitzt, also mindestens 51 Prozent. Kritiker sehen darin ein Hindernis für den Einstieg finanzstarker Investoren und in Zeiten astronomischer Ablösesummen einen gravierenden Nachteil für deutsche Clubs im internationalen Wettbewerb.
Das DFL-Präsidium hatte Kinds Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass das Kriterium der „erheblichen Förderung“ als Voraussetzung für eine Ausnahme von der 50+1-Regel nicht erfüllt worden sei. Kind reagierte empört: „Der DFL fehlt die Kraft, die notwendige Weiterentwicklung zu gestalten.“
Nach der Verkündung der Entscheidung kündigte Hannover 96 in einer Stellungnahme an zu klagen. Laut Experten stehen die Chancen auf Erfolg sehr gut. Dies könnte am Ende sogar dazu führen, dass die 50+1-Regel in Deutschland komplett fällt. Aus Vorsicht hat die DFL bereits beim Bundeskartellamt einen Prüfantrag eingereicht. Offensichtlich ist sich der Verband selbst nicht sicher, ob die 50+1-Regel gegen das Kartellrecht verstößt.
Nach Meinung von 96-Manager Horst Heldt gibt die DFL mit der Prüfung durch das Bundeskartellamt die Verantwortung endgültig ab. „Am Ende kommt das DFL-Präsidium seinen Pflichten nicht nach“, sagte Heldt. „Es sollte 50+1 bewahren und rechtssicherer machen, so wie es auf der Mitgliederversammlung im März beschlossen wurde. Entweder ist Herr Kind der Buhmann oder das Bundeskartellamt nimmt ihnen die Pflicht ab.“
Kind, der mit kurzer Unterbrechung 20 Jahre an der Spitze des Vereins steht, und 96 pochen auf eine Ausnahmegenehmigung, die bereits bei den Liga-Konkurrenten Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim erteilt wurde. Mit der DFL hatte sich Kind zuletzt immer wieder Scharmützel geliefert. An einer juristischen Auseinandersetzung hat der deutsche Fußball eigentlich kein Interesse. Die nun verkündete DFL-Entscheidung hatte sich über Monate hingezogen.
Eigentlich hatte der Ligaverband Anfang Februar entscheiden wollen. Dann hatte Kind seinen Antrag ruhend gestellt, weil er eine Grundsatzdiskussion im Profi-Fußball abwarten wollte. Die hatte es aber nie gegeben. Stattdessen stimmte die Mehrheit der Clubs für einen Fortbestand der Regel, Kind aktivierte seinen Antrag wieder.
Die ersten Reaktionen auf das DFL-Verdikt waren positiv. „Die Entscheidung ist konsequent. Auch im Hinblick auf die Entscheidung, die bereits auf der Mitgliederversammlung getroffen wurde“, sagte Freiburgs Präsident Fritz Keller. Geschäftsführer Andreas Rettig von Zweitligist St. Pauli sprach von einer folgerichtigen und erwartbaren Entscheidung. Auch die Interessengemeinschaft „Pro Verein 1896“ begrüßte die Ablehnung.
96-Manager Heldt hinterfragte dagegen das gesamte Prozedere. „Man muss sich überlegen, ob es grundsätzlich zeitgemäß ist, gewählte Mitbewerber von Hannover 96 tragfähige Entscheidungen treffen zu lassen. Hier werden eigene Interessen anscheinend über das Gesamtwohl gestellt. So wie auch beim Verteilerschlüssel der Fernsehgelder. Warum wird nicht zukünftig ein unabhängiges Gremium eingesetzt?“ dpa