Bis in die Innere Mongolei

von Redaktion

Für Fans und Fernsehgeld: Bayern, Dortmund, Frankfurt und Schalke setzen auf weite Marketing-Reisen – mit DFL-Hilfe

Von Tobias Gmach

München – USA- oder Asientouren pflegen längst nicht mehr nur Rockstars – sondern auch Fußball-Bundesligisten. „Football unplugged“: Das Motto der USA-Tournee, zu der Borussia Dortmund gestern aufbrach, passt zwar ins Rockstarbild, verwirrt aber auch: Bei „Unplugged“-Konzerten spielen die Gitarristen unverstärkt und die Schlagzeuger mit minimiertem Set. Leise Töne stehen im Vordergrund. Bei einer PR-Fernreise wie der des BVB geht es aber gerade darum, möglichst laut zu sein, um Fans in der echten und virtuellen Welt zu gewinnen. Wenn, dann sind diese Promotrips eher Heavy Metal.

Der DFB-Pokal-Sieger Eintracht Frankfurt hat seine Auftritte in Philadelphia und Salt Lake City gerade hinter sich, die Schalker standen in Kunshan und Peking auf der PR-Bühne. Der FC Bayern, der seit Jahren munter zwischen Asien und Amerika wechselt, folgt dem BVB am Montag in die Staaten. Es ist kein Zufall, dass die sportlich erfolgreichsten deutschen Klubs der letzten Jahre in das Land reisen, das 2026 mit Kanada und Mexiko WM-Gastgeber sein wird. Die Touren versprechen bares Geld in der Zukunft, die USA sind ein gut wachsender Absatzmarkt.

Rund fünf Millionen Euro spült die Route Chicago-Charlotte-Pittsburgh – inklusive der Antrittsgage für den International Champions Cup (ICC) – in die Dortmunder Vereinskasse, schätzte Marketingchef Carsten Cramer im „kicker“. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) fördert die Reisen ihrer Zugpferde finanziell. Die Präsenz der Bayern und Dortmunder macht Sinn – zumal die DFL demnächst die TV-Rechte für den US-Markt ausschreibt.

Cramer erwartet, dass die Mannschaft des neuen Trainers Lucien Favre mit einem sympathischen Auftritt „möglichst viele Menschen erreicht und eine möglichst hohe Aufmerksamkeit erzielt“. Die soll das Team auch mit Showspielen gegen Manchester City, Liverpool und Benfica Lissabon erreichen. „Wir haben die PR-Termine um den Fußball herum geplant und nicht umgekehrt. Der Mix ist in Ordnung“, sagt Cramer. Gerne trommeln Vereinsvertreter öffentlich für den sportlichen Nutzen der Fernreisen. Nach zehn Tagen China sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel dem Portal „Reviersport“: „Den Begriff Marketing-Reise würde ich fast abhaken. Natürlich haben wir Schalke durch unseren Aufenthalt wieder ein Stück weit bekannter gemacht, aber aus sportlicher Sicht war es ein richtiger Start in die Vorbereitung.“

Trainer bewerten die Touren, bei denen die Spieler mehrere Tage im Flugzeug sitzen und mit Jetlag trainieren, schon mal anders. Laut „WAZ“ ahnt Favre bereits, dass es in Amerika schwer werden dürfte, bei all den Terminen „dazwischen zu arbeiten und gute Einheiten zu führen“. Ralph Hasenhüttl, 2017 noch Leipziger Trainer, kritisierte damals die Singapur- und Malaysia-Trips der Konkurrenz aus München und Dortmund: „Ich finde es schon krass, was den Spielern da zugemutet wird. Ich halte es für problematisch, Spieler in komplett andere klimatische Verhältnisse zu jagen.“

Beim FC Bayern tüftelt Jörg Wacker seit 2013 an internationalen Strategien. Obwohl in den USA Basketball, Eishockey und American Football dominieren, sieht er dort ein Riesenpotenzial: „Die Einschaltquote beim WM-Spiel Deutschland gegen Schweden war die höchste in der Geschichte bei einem Gruppenspiel ohne Beteiligung des US-Teams. Das zeigt, wie phänomenal sich der Fußball entwickelt hat“, sagte er kürzlich unserer Zeitung. Er sprach auch von Baseballplätzen, die in Miami Beach in Fußballplätze verwandelt werden. In der Inselstadt Floridas testen die Bayern am 28. Juli gegen Manchester City, drei Tage davor treffen sie in Philadelphia auf Juventus Turin.

Mit einer 0:1-Niederlage gegen Philadelphia Union kehrte Eintracht Frankfurt von seiner „SGEagles“-Tour zurück. Der VfL Wolfsburg verschob seine China-Reise – offiziell, um den Fokus auf die optimale sportliche Vorbereitung zu legen. Bayer Leverkusen beschränkt sich auf das Training im österreichischen Zell am See. In den vergangenen Wintern zog es den Club – nicht nur zum Kicken – nach Florida. Internationalisierung geht aber ausgefallener: Bayer kooperiert seit 2017 mit einem Jugendleistungszentrum in der Inneren Mongolei.

Artikel 1 von 11