München – Wohl niemand sonst kann sich so gut in die Lage von Laura Dahlmeier versetzen wie Magdalena Neuner. Machte die frühere Weltklasse-Biathletin doch nach ihrem Doppel-Olympiasieg 2010 in Vancouver die gleiche Erfahrung wie Dahlmeier nach ihren zwei Goldmedaillen von den Spielen in Pyeongchang. Der große Kindheitstraum: Olympiasiegerin – plötzlich erfüllt. „Da fragt man sich schon: Was soll jetzt noch kommen?“, sagte Neuner im Gespräch mit unserer Zeitung. Es falle schwer, sich für die kommende Saison zu motivieren.
Doch wie einst Neuner (31) hat auch Dahlmeier (24) wieder das Feuer für den Biathlon-Sport in sich entdeckt. Einer mehrwöchigen Auszeit sei Dank. „Das hat sie gebraucht, um den Kopf frei zu kriegen“, sagte Neuner. Nach einer Olympia-Saison sei das nur allzu verständlich. „Du bereitest dich so intensiv darauf vor, wie auf nichts anderes – wenn du dann am Ende dein Ziel erreichst, fällt ein Riesen-Ballast von dir ab.“
Dass Dahlmeier vor eineinhalb Wochen bekannt gab, ihre Karriere fortzusetzen, freut Neuner sehr: „Für das deutsche Biathlon ist es unglaublich wichtig, dass sie als Aushängeschild und Vorbild präsent bleibt.“ Große Sorgen, dass es anders kommen könnte, hatte Neuner eh nicht. Nach einem Gespräch mit der Garmisch-Partenkirchnerin hatte sie den Eindruck, dass „Laura den Sport trotz dem einen oder anderen Zweifel noch viel zu sehr liebt“, um aufzuhören. Für die Zukunft traut Neuner ihrer früheren Trainingspartnerin Dahlmeier einiges zu. „Wenn sie ihr riesiges Potenzial weiter ausschöpft, wird sie noch viele Siege feiern.“
Erleichtert, dass Dahlmeier weitermacht, ist auch Heimtrainer Bernhard Kröll vom Biathlon-Stützpunkt in Kaltenbrunn bei Garmisch-Partenkirchen. Er hatte Dahlmeier nach dem Olympia-Sieg zu der Auszeit geraten. Dabei kamen Kröll seine Erfahrungen mit Neuner zu Gute, die im Sommer 2010 ebenfalls vier Wochen später als geplant das Training wiederaufnahm. Kröll wusste, wie Dahlmeier dem Motivationsloch entfliehen kann. „Da hilft nur eine längere Pause – ohne volle Überzeugung zu trainieren, bringt nichts.“
Seitdem klar ist, dass Dahlmeier auch in der kommenden Saison startet, erlebt Kröll seine Top-Athletin sehr entspannt. „Sie kommt mir total gelöst vor und hat sichtlich Spaß“, erzählte er. Der Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, sei weg. „Alles was Laura jetzt noch erreicht, ist eine Zugabe.“
In ihrer Trainingssteuerung geht Dahlmeier einen anderen Weg als noch vergangenes Jahr. Auf ihren Karriere-Höhepunkt Olympia hatte sie sich zum Großteil allein vorbereitet. Ab sofort will sie wieder mehr mit den Kollegen in Kaltenbrunn trainieren. Der Grund ist nachvollziehbar: „Ohne Partner zu trainieren, ist nicht immer das Schönste“, sagte Kröll. „Gemeinsam ist die Gaudi einfach größer.“
Als Dahlmeier sich entschlossen hatte, das Gewehr vorübergehend auf die Seite zu legen, hatte sie durchaus Bedenken, erzählte Kröll. „Sie war nicht sicher, ob sie mit einem späteren Trainingseinstieg ihr Top-Niveau halten könne.“ Kröll verwies auf Magdalena Neuner. Die holte in der Saison nach ihrer kurzen Auszeit fünf Medaillen bei der WM in Chanty-Mansijsk. Kröll fügte lachend hinzu: „Das hat Laura beruhigt.“