München – Es war noch nicht mal 12 Uhr Mittag, die Versammlung also noch jung, als sich vor dem Getränkestand eine kleine Traube bildete. Während auf dem Podium 1860-Vize Heinz Schmidt seinen Schatzmeister-Bericht vortrug (Top 8b), stand Franz Hell vor interessierten Zuhörern und hielt seinerseits eine kleine Rede – die eines Wahlkampfverlierers, der das Scheitern hat kommen sehen.
Mit „500 bis 1000“ Unterstützern der Opposition hatte der Allesfahrer gerechnet, als er wochenlang durch Bayern getourt war, um für das investorfreundliche „Team Profifußball“ zu trommeln. Extra hatte Hell sogar sein Löwen-Glückshirt aus der Saison 1983/84 angezogen, das schon in der Relegation gute Dienste geleistet hatte. Aber, sagte er, als sein Blick über die vielen unbesetzten Stühle im Zenith kreiste: „Bei 1860 ist es nicht anders als bei den großen Parteien: Die Masse ist schwer zu mobilisieren. Es heißt immer nur: Macht mal!“
Selbst bei wohlwollender Schätzung ist Hell nur auf 300 bis 400 Unterstützer gekommen – und sein Gefühl trog ihn nicht. Um 20.35 Uhr, nach einer weiteren Rekordsitzung, stand das amtliche Endergebnis fest: Es war eine herbe Abfuhr für Hells Bündnis. Pro1860, das die aktuelle Führung stützt, brachte es fertig, seine ganze Liste durchzubekommen. Alle Neune sozusagen. Für „Team Profifußball“ dagegen blieb nicht mal ein Anstandsposten übrig. Als prominentester Kandidat erhielt Ex-Stürmer Bernhard Winkler 373 Stimmen (von 1178 gültigen). Sogar der schlechteste Pro-Kandidat hatte mehr. „Das war kein Votum gegen Hasan Ismaik, sondern für einen starken, eigenständigen e.V.“, sagte der bisherige Verwaltungsrats-Chef Markus Drees und kommentierte: „Das war das Ende der ARGE in der bisherigen Form. Ich hoffe aber, dass sie sich neu aufstellen werden.“
Schon eine halbe Stunde vor Hells Analyse, beim Bericht des Präsidenten (Top 8a), war abzusehen, dass sich wohl wenig an den Machtverhältnissen ändern und Robert Reisinger wie im Jahr seiner Wahl ein Heimspiel haben würde. Er forderte die Zuhörer auf, Getränke bereit zu halten („Es könnte länger dauern“) – und legte los mit einem emotionalen Rückblick auf seine einjährige Amtszeit, bei der jede Spitze lautstark beklatscht wurde.
Winkler nur Zehnter
Und Spitzen, direkte und indirekte, gab es nicht zu knapp. Gegen Investor Hasan Ismaik, der zwar 60 Prozent an der KGaA besitze, aber nicht den Rückhalt der Basis („Der Verein sind wir!“). Gegen Kritiker, die ihm vorwerfen, zu seiner Zeit als Verwaltungsrat den finanziellen Harakiri-Kurs mitgetragen zu haben („Tragischer Witz“). Und auch gegen all jene, die schon wieder von der Ersten Bundesliga „schwadronieren“, kaum dass der Verein der 4. Liga entkommen ist.
Angesprochen fühlen durfte sich das „Team Profifußball“, das Reisinger namentlich nicht nannte, aber auch im Kopf zu haben schien, als er die Ungeduld in der Debatte ums Grünwalder Stadion geißelte. „Öffentliche Ultimaten und Kraftmeierei sind nicht hilfreich.“ Dafür erntete er reichlich Beifall. Ebenso, als er die Mitglieder lobte, die in schwierigen Zeiten für einen Beitrittsrekord und wertvolle Beitragsgelder gesorgt hatten. „Und“, setzt er noch eine feine Pointe in Richtung Abu Dhabi: „Sie haben keine Genussscheine dafür verlangt.“ Nach 25 Minuten setzte sich Reisinger wieder – und sah sehr zufrieden aus.
Die nächsten Stunden der elfstündigen Sitzung: Typisch 1860. Das Pfeifen des Scheichlieds war zwar ebenso untersagt worden wie Pfiffe und Buhrufe. Ohne Schmähungen ging es trotzdem nicht, was sogar der Ismaik-freundliche 90er-Jahre-Held Winkler zu spüren bekam. Hell beklagte wie Ex-Trainer Karsten Wettberg, dass Pro-Kandidaten mehr Redezeit erhielten („Eine reine Wahlveranstaltung des bestehenden Verwaltungsrats“), doch immerhin: Spontan entschieden Reisinger und Co., dass auch die Opposition kurz aufs Podium darf. Demokratisch korrekt. Wie das fast vierstündige Finale (Top 12: Anträge, Top 12b: Sonstige Anträge) trug der Beschluss aber dazu bei, dass es immer später wurde. So spät, dass das Wahlergebnis durchsickerte und einer aus dem „Team Profifußball“ seufzte: „Sagen mag ich heute nix mehr. Sieht doch eh jeder, was los ist bei 1860. Sonst würden wir nur als schlechte Verlierer dastehen.“
„Mei“, sagte Hell bei seiner Vormittagsansprache und blickte schon wieder trotzig nach vorne: „Als Demokrat musst du die bestehenden Machtverhältnisse akzeptieren. Die jetzt das Sagen haben, haben auch 25 Jahre gewartet – und wenn mich nicht ein plötzlicher Tod ereilt, bin ich ebenfalls bereit, 25 Jahre zu warten.“ Sprach’s, strich sich über den alten Löwen auf seinem Poloshirt und machte sich noch einmal Mut: „Wir werden es weiter versuchen. In drei Jahren sind ja schon die nächsten Wahlen.“