Walisische Schlösser leuchten in Gelb

von Redaktion

Tour-Sieger Geraint Thomas wird in seiner Heimat als Volksheld gefeiert – Gareth Bale gratuliert dem Schulkameraden

Paris/Cardiff – Der Radsport verneigt sich vor dem „Prince of Wales“, auf der Insel erstrahlen Schlösser in Gelb, und die Konkurrenz verzweifelt am Team Sky des Königs der Tour de France. Nach dem Erfolg von Geraint Thomas in Frankreich ist die Zukunft des neuen britischen Sportstars zwar offen. „Keine Ahnung, momentan will ich einfach nur feiern“, sagte der 32-Jährige, dessen Vertrag bei Sky Ende des Jahres ausläuft, vor Beginn der großen Siegerparty am Sonntagabend in Paris. Dass an der Mannschaft von Dave Brailsford auch in den nächsten Jahren kaum ein Vorbeikommen ist, damit ist zu rechnen.

Das Team Sky, das mit mindestens 30 Millionen Euro über das höchste Budget im Peloton verfügt, stellte seit 2012 auf eine Ausnahme stets den Tour-Sieger. 2014 triumphierte Vincenzo Nibali nur, weil Sky-Kapitän Chris Froome nach einem Sturz aussteigen musste. „Sky kann sich hoch bezahlte Fahrer als Helfer leisten, die in anderen Teams Kapitäne wären und selbst die Tour gewinnen könnten“, erklärte Ex-Profi Rolf Aldag, Sportlicher Leiter bei Dimension Data.

Fahrer wie Ex-Weltmeister und Mailand-Sanremo-Gewinner Michal Kwiatkowski (Polen) oder Lüttich-Bastoge-Lüttich-Sieger Wout Poels (Niederlanden) waren bei der Tour ergebene Diener ihrer Herren. Dazu stimmt der Team-Spirit. Froomes Glückwünsche an seinen alten Kumpel klangen ehrlich. „Unsere Stärke ist der Kopf“, sagte Thomas.

Und Sir Dave Brailsford, ließe sich hier ergänzen. Der Teamchef machte in den vergangenen Jahren nur einmal eine schlechte Figur, nämlich beim Krisenmanagement im Fall seines ersten Toursiegers Bradley Wiggins. Vor dem Parlaments-Ausschuss zur Untersuchung einer dubiosen Medikamenten-Lieferung an den ebenfalls von der Queen zum Ritter geschlagenen Ex-Profi verstrickte er sich in Widersprüche. Das Verfahren wegen möglicher Doping-Vergehen wurde dennoch eingestellt.

Brailsford überstand auch die Ermittlung wegen Doping-Verdachts gegen Froome nach einer Salbutamol-Auffälligkeit und zauberte bei der Tour das Supertalent Egan Bernal aus dem Hut. Der Kolumbianer, mit 21 Jahren jüngster Tour-Starter, bestimmte in den Bergen vor Thomas und Froome das Tempo, das der Konkurrenz die Luft zum Atmen nahm. „Das ist mein Mann der Zukunft“, sagte der Sky-Chef.

Für die Kapitänsrolle 2019 ist Bernal aber noch zu unerfahren – und daher ist die Frage nach dem Sky-Leader spannend. Froome hat noch einen Vertrag, zeigte in den vergangenen drei Wochen aber Schwächen. Thomas ist sein logischer Nachfolger, könnte nach dem Triumph aber auch bei jeder anderen Mannschaft anheuern und sogar das Salär diktieren.

All diese Fragen waren nach 3351 beschwerlichen Kilometern durch Frankreich für Thomas erst einmal nebensächlich. Er freute sich nach der Sause in Paris auf ein Wiedersehen mit der Familie in Wales. Dort infizierte er ein ganzes Land mit dem Tour-Fieber. Am Sonntag fuhren in Cardiff Hunderte von Radlern zu Thomas’ Ehren in gelben Trikots und T-Shirts durch die Straßen. Am Cardiff Castle wurden Banner aufgehängt und Flaggen gehisst, mit Einbruch der Dunkelheit leuchteten das Castle, das Rathaus und mehrere andere Schlösser in Wales feierlich in gold-gelbem Licht. Der Stadtrat verpasste dem roten Drachen im Wappen von Cardiff vorübergehend ein gelbes Trikot.

Der walisische Fußball-Star Gareth Bale (Real Madrid), der dieselbe Schule wie Thomas besucht hatte, gratulierte auf Twitter. „Unglaubliche Leistung eines Schulkameraden der Whitchurch High“, schrieb Bale. „Was für ein Sieg!“  dpa

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