Glasgow – Die acht jungen Männer und ihr Steuermann hatten es eilig. Das ist eigentlich nichts Außergewöhnliches, sie sind Ruderer und allein deshalb immer schnell dran. Aber in Glasgow blieb nicht einmal Zeit, um den Triumph bei den European Championships ausgiebig zu feiern. Nur knapp drei Stunden nach der Siegerehrung saßen die Mitglieder des Deutschland-Achters sowie ihr Trainer schon wieder im Flugzeug Richtung Heimat.
Davor war die Crew um Schlagmann Hannes Ocik im Strathclyde Country Park ihrer Favoritenstellung gerecht geworden, hatte im Finale letztendlich die Niederlande und Rumänien klar distanziert. Seit mehr als zwei Jahren, seit der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro hat das Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes kein Finale einer Regatta mehr verloren. „Die anderen haben richtig Tempo gemacht“, sagte Steuermann Martin Sauer. „Damit haben wir gerechnet.“ Die Taktik sei aufgegangen.
Wie beim Weltcup in Luzern ließ es der Deutschland-Achter auch in Schottland ruhig angehen. Nach 500 Metern lag das Boot nur auf dem vierten Platz. Aber anders als auf dem Rotsee Mitte Juli, als die Weltmeister erst sehr spät das Tempo verschärft und schließlich gerade noch im Foto-Finish gewonnen hatten, zogen sie den Spurt dieses Mal bereits vor der 1000-Meter-Marke an und kurz nach der Hälfte des Rennens an den Niederlanden vorbei. Am Ende betrug der Vorsprung mehr als eine halbe Bootslänge. „Wir waren schon echt am Limit“, gab Schlagmann Ocik nach dem sechsten EM-Sieg in Serie zu. Dass der Achter auch in großer Bedrängnis nie die Ruhe oder gar seine Taktik aus den Augen verliert, ist für DRV-Cheftrainer Ralf Holtmeyer ein Zeichen großer mentaler Stärke. „Sie können sich auf den Punkt konzentrieren, das ist nicht selbstverständlich“, lobt er. Unter Holtmeyer gewann der Deutschland-Achter in London 2012 Gold und Silber vor zwei Jahren in Rio de Janeiro. Danach hatte er seinen Posten als Achter-Trainer an Uwe Bender abgetreten und kümmert sich nun um die gesamte deutsche Ruder-Flotte.
Während der Achter auch zur WM vom 9. bis 16. September in die südbulgarischen Stadt Plowdiw als großer Favorit reist, ist es um die anderen Bootsklassen nicht so glänzend bestellt. Das Achter-Gold war die einzige Medaille für den DRV. Allerdings hatte der Verband nur sieben Boote für die Glasgow gemeldet, um die Vorbereitung der Besten auf die fünf Wochen später beginnende WM nicht zu stören.
Ins Finale hatten es dann neben dem Achter nur die beiden Leichtgewichts-Einer geschafft, wobei die Rostockerin Marie-Louise Dräger krankheitsbedingt auf ihr Rennen verzichten musste, sowie der Frauen-Vierer ohne Steuerfrau. „Wir waren hier mit der zweiten Garde etwas überfordert“, sagte Holtmeyer und gab zu, dass man sich nach den guten Leistungen bei den ersten Weltcups „ein bisschen überschätzt“ habe. Die Europameisterschaften wie in den anderen Jahren nicht konsequent „ins Programm gehoben“ zu haben, sei vielleicht ein Fehler gewesen. Jedenfalls hat der DRV die Chance vergeben, das neue Format für mehr Aufmerksamkeit und Medienresonanz zu nutzen.