Jan Ullrich – ein Bild des Jammers

von Redaktion

Der Tour-Sieger wird nach Streit bei seinem Mallorca-Nachbarn Til Schweiger vorübergehend festgenommen

VON EMANUEL REINKE

Palma de Mallorca – Mit nacktem Oberkörper stieg Jan Ullrich nach seiner Festnahme aus einem Gefangenentransporter, sein Kopf war entwürdigend mit einem Krankenhauslaken umwickelt, der Blick wirkte leer und verzweifelt. Der frühere Radstar und einzige deutsche Tour-de-France-Sieger steckt offenbar erneut in einer schweren Lebenskrise.

Die Fotos, die Ullrich nach einem Zwischenfall auf dem Grundstück seines Nachbarn, dem Schauspieler, Til Schweiger in Begleitung von Justizbeamten zeigen, zeichnen ein jämmerliches Bild des einstigen Tour-Helden. Wie die spanische Polizei mitteilte, wurde der 44-Jährige am Freitag wegen „gewaltsamen Eindringens und Bedrohungen“ in Gewahrsam genommen. Ullrich wurde am Samstag von einem Richter befragt. Anschließend wurde er freigelassen und mit einem Kontaktverbot belegt, sagte eine Gerichtssprecherin.

Til Schweiger erklärte in der „Bild“-Zeitung zu dem Vorfall: „Ich kann bestätigen, dass es zu einem Zwischenfall mit meinem Nachbarn Jan gekommen ist.“ Schweiger fügte demnach hinzu: „So habe ich mir meinen Urlaub nicht vorgestellt.“

Der „Bild am Sonntag“ schilderte Schweiger den Vorfall: „Er kam übers Tor, was wir nicht gesehen haben, weil wir im Poolhäuschen ein Musikvideo angesehen haben. Er ging sofort mit einem Besenstiel auf einen Freund von mir los. Ich habe die Polizei gerufen. Die kam dann auch, hat ihn in Handschellen abgeführt.“ Bevor die Polizei eingetroffen sei, habe er zu Ullrich gesagt: „Von jetzt an bist du nicht mehr mein Freund“.

„Ich kenne Jan, seit er vor zwei Jahren nebenan eingezogen ist. Mein Tor war immer offen“, sagte Schweiger dem Blatt. Doch dann habe sich dieser verändert, sei regelrecht abgestürzt. Seine Freunde und er hätten oft auf ihn eingeredet, er müsse einen Entzug machen.

Es ist nicht Ullrichs erster schwerer Fehltritt, den Absturz leitete er schon zu seiner aktiven Karriere ein. Gewichtsprobleme, private Eskapaden und schließlich seine endlos-unsägliche Dopinggeschichte – der schnelle Ruhm, der Ullrich nach seinem Tour-Sieg 1997 ereilte, überforderte ihn stets. 2002 verursachte er unter Alkoholeinfluss einen Autounfall, 2006 verließ er die Tour nach Aufdeckung der Fuentes-Affäre weinend, 2007 folgte das vorzeitige Ende der Karriere. Die Doping-Vergangenheit arbeitete er nur unzureichend auf.

Die privaten Probleme blieben, nachdem er das Rad abgestellt hatte. Immer wieder sorgte Ullrich für Negativschlagzeilen. Etwa im Mai 2014: Wieder unter Alkoholeinfluss verursachte er im Schweizer Kanton Thurgau mit überhöhter Geschwindigkeit einen Unfall, bei dem zwei Personen leicht verletzt wurden. Die Folgen: 21 Monate Freiheitsstrafe, die auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, 8700 Euro Geldbuße – und weitere tiefe Kratzer am längst beschädigten Ruf. Zuletzt zerbrach die Ehe mit seiner Frau Sara. Nach 13 Ehejahren trennte sich das Paar, die drei gemeinsamen Söhne sind bei der Mutter im Allgäu.  sid/afp

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