München – Als Alexander Averdunk mal fast den besten Kletterer der Welt geschlagen hätte, war er erst 18 Jahre alt. In München, unter dem Dach des Olympiastadions, hatten sich damals die Boulder-Spezialisten zum Weltcup versammelt, 4000 Zuschauer fieberten mit. Und auf der großen Bühne durfte eben Alexander Averdunk aus Markt Schwaben klettern; dünne Arme, schmale Schultern, rot-blonde Haare, ein Neuling im Weltcup, der sich an Griffen festkrallte, an denen die meisten Profis an diesem Tag abrutschten. Er wurde Siebter, einen Platz hinter Adam Ondra, dem besten Kletterer der Welt.
Das war vor drei Jahren. Jetzt, da der Weltcup mit seinem Saisonfinale wieder ins Olympiastadion zieht (17./18. August), sagt Averdunk über seinen Sport: „Es ist echt krass geworden.“
Das Profiklettern verändert sich gerade. Vor ziemlich genau zwei Jahren hat das Internationale Olympische Komitee nämlich beschlossen, das Klettern in sein Programm für Tokio 2020 aufzunehmen – direkt danach aber einen operativen Eingriff verordnet. Auf Druck des IOC pressten die Kletterer drei Disziplinen (Speed, Bouldern, Lead) in ein Format. „Olympic Combined“ nennen sie diesen Dreikampf. Und obwohl viele Athleten noch damit fremdeln – der deutsche Meister Jan Hojer etwa hält das Format für „unglücklich gewählt“ (Quelle: „SZ“) –, hängten sie sich sofort rein. Klar, ist halt trotz aller roten Flaggen (Korruption, Doping, Umweltprobleme) immer noch Olympia.
Die Fördermittel sind gestiegen, die Trainingsstunden auch. Das Tückische an Tokio jedoch ist: Sehr viele Kletterer aus sehr vielen Nationen versteifen sich gerade auf den olympischen Traum, den sich in Japan nur 20 Frauen und 20 Männer erfüllen. Es könnte aber ihre einzige Chance sein. Ob die Kletterer 2024 in Paris mitmachen dürfen, weiß keiner. Das meint Alexander Averdunk mit „krass“.
Averdunk, 21, hat die Entwicklung seines Sports aus der ersten Reihe verfolgt. Als er vor vielen Jahren das erste Mal eine Halle betrat, waren die Boulder-Wände noch in engen, stickigen Räumen versteckt, zwei Mal zwei Meter. Heute trainiert er fast nur mittags, weil die Hallen in München abends überfüllt sind.
Als er später versuchte, den Leistungssport mit einem Informatik-Studium zu kombinieren, gab er nach fünf Semestern auf. Im Sommer tourte er durch die Welt, im Winter stopfte er seinen Stundenplan mit Unikursen zu. Averdunk ist ein kluger Kopf, Einser-Abitur, das Studium musste er aber abbrechen. In der vorolympischen Zeit fehlten dem Verband die Strukturen, um zu helfen. Heute könnte er sich mit Fragen zum Studium einfach an den olympischen Stützpunkt wenden.
Den großen Einfluss Olympias auf das Klettern kann Averdunk auch an sich selbst messen. Er trainiert dreimal so viel früher, so gut wie in München 2015 war er aber nicht mehr. „Früher bin ich halt drei Mal Bouldern gegangen. Das war mein Training, trotzdem bin ich ganz gut ins Halbfinale gekommen“, sagt er. Die internationale Spitzengruppe umfasst mehr als 50 Männer, weshalb er ein Ticket für Tokio – das ab 2019 vergeben wird – auch ans Glück knüpft. „Wenn die Leistungskurve weiter so steigt, wird es echt hart.“
Averdunk hat sich gerade wieder an die Elite herangetastet, nachdem ihn eine Fingerverletzung 2016 für ein Jahr ausgebremst hatte. Er hat seinen Kletterstil wiedergefunden: den dynamischen Armzug, die Sprünge an der Wand, die riskant sind, aber, wenn sie denn klappen, verdammt cool aussehen. Wie erfolgreich das sein kann, hat er bei den Deutschen Meisterschaften vorgeführt. Im Bouldern wurde er Zweiter, im Speed-Klettern Dritter – und im erstmals ausgetragenen „Olympic Combined“-Format Vierter.
Averdunk hat sich weiterentwickelt. Die Schultern sind breiter, die Arme dicker. Er hätte nichts dagegen, wenn er sich auch beim Weltcup in München verbessert. Dafür müsste er aber ins Finale der besten Sechs klettern. Seine Chancen sind etwas gestiegen: Adam Ondra, der Kletterstar aus Tschechien, fehlt.