„Biero wird nicht locker lassen“

von Redaktion

Ex-Löwe Aigner, jetzt Uerdingen, über die Qualität der 3. Liga, die Chancen von 1860 und das Duell mit seinem Ex-Club

Krefeld – Graue Wolken über Krefeld, das Grotenburg-Stadion bildet mit seinen maroden Tribünen eine eher trostlose Kulisse für das Auslaufen der KFC-Profis. Trotzdem vermittelt Stefan Aigner den Eindruck, als könne er gut mit seiner Entscheidung leben, nach seiner Zeit in den USA zum Drittliga-Aufsteiger aus der Regionalliga West gewechselt zu sein, dem KFC Uerdingen. Der ehemalige 1860-Kapitän hat am Vorabend mit seinem neuen Team 3:2 in Meppen gewonnen, erstaunlich viele KFC-Fans seien mitgereist, und es stimmt ja auch: Uerdingen war mal eine feste Größe im Profifußball. Als das Grotenburg-Stadion noch Kampfbahn hieß, fanden hier legendäre Spiele statt (u.a. die 7:3-Aufholjagd im Europacup gegen Dresden) – und genau da will der Verein, damals Bayer Uerdingen, wieder hin; ein russischer Investor soll dabei helfen. Der Start des KFC in die 3. Liga ist gelungen, am Sonntag steht das Aufsteiger-Duell beim TSV 1860 an – spannende Zeiten, über die Aigner, 30, in unserem großen Interview spricht.

-Stefan Aigner, Platz vier nach zwei Siegen in Folge. Kann man aus Krefelder Sicht von einem gelungenen Saisonstart sprechen?

Was die Punkte angeht, auf alle Fälle. Drei Spiele, sechs Punkte – ich glaube, das ist ganz ordentlich, wenn man sieht, wie ausgeglichen die Liga ist. Spielerisch gibt es allerdings noch einiges, das wir besser machen können.

-Auch für Sie persönlich scheint es ganz gut zu laufen: Tor im ersten Spiel, drei Startelfeinsätze. Zufrieden damit?

Ich denke, Unterhaching war ganz gut, obwohl wir verloren haben. Würzburg war auch okay. Am Mittwoch in Meppen war ich nicht so zufrieden mit meiner Leistung, aber ein schlechtes Spiel ist immer mal drin. Für den Start bin ich nicht unzufrieden.

-Es ist ja die dritte deutsche Profiliga, die Sie kennenlernen, eine mit einem speziellen Flair und Charakter. Ihr Eindruck bisher?

Die Liga ist extrem körperbetont, ausgeglichen, jeder kann jeden schlagen. Die zweite Liga war auch intensiv, aber es ist schon noch mal eine Steigerung. In allen drei Spielen, die wir hatten, ist es hin- und hergegangen, es war jedes Mal ein offener Schlagabtausch. Da müssen wir noch ein bisschen cleverer werden, denn wenn du in dieser Liga konstant bist, kannst du immer oben hinschnuppern. Und von den Namen her: Lautern, Sechzig, Rostock, Braunschweig und wie sie alle heißen – das fühlt sich schon eher nach 2. Liga an.

-Viel hätte ja nicht gefehlt und Sie wären zum vierten Mal bei Ihrem TSV 1860 gelandet. Woran ist der Wechsel denn wirklich gescheitert? Sie hatten sich ja sogar mit Daniel Bierofka getroffen …

Als es in der Schwebe war, dass ich meinen Vertrag in Amerika auflöse, hat sich Uerdingen extrem um mich bemüht. Eigentlich wollte ich keinen Schnellschuss machen, aber dann kam das Thema in den Medien auf – und dann hab ich auch mit Biero telefoniert. Wir haben uns dann in München zusammengesetzt, er hat mir klipp und klar gesagt, dass die Planungen eh schon abgeschlossen sind. Bis auf einen Innenverteidiger hatte er alle Positionen besetzt, und dann habe ich recht schnell bei Uerdingen zugesagt.

– Von 1860 fortgegangen sind Sie 2017 mit den Eindrücken des historischen Doppelabsturzes. Hatten Sie das Gefühl, dass noch eine Rechnung offen ist?

Rechnung offen weiß ich nicht. Auf alle Fälle hätte ich mir meinen Abgang schöner vorgestellt. Ich bin ja als Bundesliga-Stammspieler zurück zu Sechzig, weil ich noch mal aufsteigen wollte  … Der Schluss ging leider nach hinten los, ganz extrem sogar. Aber so ist es leider im Fußball, da kannst du schwer was vorhersagen. Der Stachel sitzt immer noch tief, aber ich kann’s leider nicht mehr rückgängig machen.

-Sie sagten mal, dass Sie für einige Fans „das Gesicht des Abstiegs“ seien. Hat man Sie das spüren lassen?

Die Fans, die mir das ankreiden, waren wahrscheinlich enttäuscht, dass ich nach dem Abstieg nicht geblieben bin. Ich hab ja damals gesagt: Dritte Liga hätte ich mir vorstellen können, aber Regionalliga … Natürlich ist Sechzig mein Herzensverein, ich habe meine ganze Jugend da verbracht, in meiner Familie sind alle Sechz’ger, aber Fußball ist ja auch der Beruf, von dem ich lebe. Das musste ich halt auch berücksichtigen.

-Um noch mal ganz kurz auf das Katastrophenjahr zurückzublicken. Wie kam es dazu aus Ihrer Sicht?

Ich denke, es hat allgemein nicht gepasst. Die Jahre davor lief es ja auch schon nicht berauschend, war’s zum Schluss fast immer eng. Der Abstieg war dann aus meiner Sicht das i-Tüpfelchen. Ehrlicherweise muss man leider sagen: Wir sind völlig zurecht abgestiegen und hatten in der Relegation (gegen Regensburg) nicht den Hauch einer Chance. So hat es sich auf dem Platz auch angefühlt. Ausschlaggebend war aus meiner Sicht, dass wir keine Einheit waren, als es drauf angekommen ist. Die Mannschaft war nicht in der Lage, auch mal einen dreckigen Sieg einzufahren – vielleicht auch wegen der vielen Wechsel im Winter. Der Umbruch war zu extrem, wir waren einfach kein eingeschworener Haufen.

-Das Projekt KFC Uerdingen erinnert in Grundzügen an das 60er-Modell der Saison 2016/17. Es gibt einen ehrgeizigen Investor, es wurde ambitioniert eingekauft, nicht nur Sie, sondern auch der Weltmeister Kevin Großkreuz. Trotzdem scheint es zu funktionieren. Woran liegt’s?

Ob’s funktioniert, wissen wir noch nicht. Das werden wir sehen. Was ich aber schon mal sagen kann: Die Mannschaft hat einen extremen Zusammenhalt. Es sind noch viele Spieler da, die die Aufstiege miterlebt haben. So etwas schweißt natürlich zusammen. Und die Charaktere, die gekommen sind, passen super rein, ob das Kevin Großkreutz ist, Dennis Daube oder Mario Konrad, die schon 2. Liga oder höher gespielt haben. Da sieht sich keiner als was Besseres an, keiner will sich hier ausruhen, sondern hat den Ehrgeiz, hier etwas zu erreichen.

-Ein Oberbayer am Niederrhein. Funktioniert das?

Das geht gut (lächelt). Ich fühle mich extrem wohl, muss ich sagen. Allein Düsseldorf und Umgebung – das ist schon auch eine schöne Gegend.

-Dass Sie offen sind für die große weite Fußballwelt, bewiesen Sie mit Ihrem Wechsel in die USA, zu den Colorado Rapids. Nach vielversprechendem Start kam Ihre Vertragsauflösung zu einem überraschenden Zeitpunkt. Waren Sie sportlich unzufrieden oder privat?

Anfangs hat alles super gepasst. Ich bin dahin gekommen, hab direkt eingeschlagen und meine Tore gemacht. Dann aber kam leider wieder ein größerer Umbruch. Der neue Trainer hat Sachen verlangt, die ich nicht so umsetzen konnte. Beide Seiten haben sich darauf geeinigt, es zu beenden. Privat hätte ich mir gut vorstellen können, drei Jahre in Amerika zu bleiben. Auch meiner Familie hat es sehr gut gefallen da drüben.

-In zehn Tagen werden Sie 31, haben einen Vertrag mit drei Jahren Laufzeit unterschrieben. Beenden Sie Ihre Karriere in Krefeld?

Puh, schwer zu sagen. Eigentlich will ich spielen, solange es geht. Es gibt nichts Schöneres, als Fußball zu spielen – auch wenn es in manchen Phasen schwerer fällt. Ich glaube aber, so lange man gesund ist – toi, toi, toi – gibt es nichts Besseres.

-Könnte auch eine erneute Rückkehr zu 1860 noch mal ein Thema werden?

Das ist ganz schwer zu sagen. Wenn mir einer erzählt hätte, dass ich nach einem Jahr Sechzig in Amerika lande, hätte ich den auch für verrückt erklärt. Für Vorhersagen ist das Geschäft zu kurzlebig, leider.

-Aber nach der Karriere geht’s auf jeden Fall zurück nach Oberbayern?

Auf alle Fälle. Irgendwann reicht’s dann auch mal mit der Rumreiserei. Konkrete Pläne hab ich noch nicht, aber ich will im Fußball bleiben, auch den Trainerschein machen. Was man hat, das hat man.

-Am Sonntag kommt es zum direkten Duell in Giesing, Ihrer emotionalen Heimat. Ein besonderes Spiel?

Auf alle Fälle. Es ist ein ganz dummes Gefühl, dass ich da jetzt als Gegner aufkreuze. Beim Heimatverein spielen – gegen den Heimatverein. Extrem komisch fühlt sich das an.

-Was trauen Sie den Löwen in dieser Saison zu?

Was man hört, können die auf jeden Fall oben mitspielen. Die Mannschaft ist top besetzt, allein mit Grimaldi, Mölders, Moll … Hinten stehen sie gut, vorne schießen sie Tore – und wie ich den Biero kenne, wird er nicht locker lassen.

Interview: Uli Kellner

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