Ein neuer, erschütternder Tiefpunkt

von Redaktion

Ex-Radstar Jan Ullrich vorläufig festgenommen: Er soll eine Prostituierte angegriffen und gewürgt haben

von Jörg Mebus und Tobias Schwyter

Frankfurt/Main – Der Absturz von Jan Ullrich wird immer dramatischer. Am Freitag, als er nach seinen jüngsten Eskapaden auf Mallorca eigentlich eine Therapie beginnen wollte, wurde der frühere Radstar in Frankfurt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung an einer Prostituierten vorläufig festgenommen. Am Nachmittag wurde er allerdings wieder entlassen, weil „die Voraussetzungen für eine Inhaftierung nicht vorliegen“, wie es in einer gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft und der Frankfurter Polizei hieß.

Der Beschuldigte sei verdächtig, „eine 31-jährige Escortdame in einem der Hotelzimmer nach einem Streit angegriffen zu haben“, hieß es in dem Statement von Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitagnachmittag.

Letztlich sei es der „verletzten Frau“ gelungen, die Polizei zu verständigen: „Als die Beamten eintrafen und den Mann vorläufig festnehmen wollten, leistete dieser Widerstand. Mutmaßlich stand der Beschuldigte unter Alkohol- und Drogeneinfluss.“ Derzeit werde wegen „versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung“ ermittelt, die Ermittlungen seien „noch nicht abgeschlossen“.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, „der Beschuldigte“ solle die Frau „gewürgt haben, bis ihr schwarz vor Augen wurde“. Der Vorfall hatte sich in einem Nobelhotel zugetragen.

Dort hatte sich Ullrich (44) mit der Prostituierten getroffen, im Verlaufe der Zusammenkunft sei es zum Streit gekommen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sieht die Staatsanwaltschaft aber „keinen dringenden Tatverdacht wegen versuchten Totschlags, sodass aktuell kein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt wird“, hieß es in der Stellungnahme von Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.

Neben der Geschädigten sollen im Verlaufe der Ermittlungen noch „weitere Zeugen“ vernommen werden. Ullrich selbst sei zunächst nicht vernehmungsfähig gewesen. Später erklärte eine Polizeisprecherin, dass Ullrich „rechtliches Gehör gegeben“ worden sei und er „von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht“ habe.

Der Aufenthalt in der Arrestzelle hatte offenbar mit dem zwischenzeitlich desaströsen Zustand Ullrichs zu tun, der eine Vernehmung bis zum Freitagnachmittag unmöglich machte.

Auf Totschlag steht eine Strafe von fünf bis 15 Jahren, wobei im Fall Ullrich den Vorwürfen zufolge nur ein Versuch vorliegt, was erheblich strafmindernd wirken würde. Gefährliche Körperverletzung wird mit sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis geahndet, solange keine verminderte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit vorliegt. Wolfgang Hoppe, der Anwalt des Tour-de-France-Siegers von 1997, wollte sich zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten auf Anfrage nicht äußern.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung, die zuerst von der Festnahme berichtet hatte, seien in Ullrichs Hotelzimmer mehrere Gramm Rauschgift sichergestellt worden, was die Polizei nicht bestätigte.

Ullrich war am Donnerstagabend aus Mallorca angereist, um in Deutschland eine Therapie zu beginnen. Wenige Tage zuvor war er auf der Urlaubsinsel nach einem Zwischenfall auf dem Grundstück seines Nachbarn Til Schweiger vorübergehend festgenommen worden. Kurz vor seiner Abreise nach Deutschland sagte er der „Bild“: „Ich habe ein gutes Bauchgefühl, fühle mich wohl. Das wird mein Neustart.“

Ullrich hatte am Montag zugegeben, dass er sich in einer schweren Lebenskrise befindet. Er räumte den Konsum von Drogen ein und kündigte an, „aus Liebe zu meinen Kindern“ eine Therapie beginnen zu wollen.

Süchtig zu sein, bestritt der 44-Jährige. Laut seines Anwalts Hoppe ist dennoch bereits seit einiger Zeit ein Platz in einer Klinik in Deutschland für Ullrich reserviert.

Der zweimalige Vize-Weltmeister Dietrich Thurau reagierte derweil mit drastischen Worten auf die Ereignisse um Ullrich. „Meines Erachtens hilft nur eins: Ulle muss sofort in eine geschlossene Anstalt, damit er nicht mehr frei draußen rumläuft. Der ist so unter Strom, der weiß gar nicht mehr, was er macht, glaube ich. Sonst endet das alles böse“, sagte Thurau dem „Kölner Express“.

Schon zu seiner aktiven Karriere hatte er immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Gewichtsprobleme, private Eskapaden und schließlich die Dopinggeschichte, zu der er nie klar genug Stellung bezog. Ullrich löste mit seinem Tour-Sieg 1997 einen regelrechten Radsport-Boom aus und stand auf einer Stufe mit den deutschen Sport-Ikonen Michael Schumacher und Boris Becker. Seit Freitag ist mehr denn je klar: Vom Ruhm ist nichts mehr geblieben.

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