Berlin – Am letzten Abend der Leichtathletik-EM durchlebte das Berliner Olympiastadion verschiedene Stimmungslagen. Es verstummte, als der deutsche Staffelsprinter Lucas Jakubczyk im Halbfinale stürzte. Es kochte, als die Frauen-Staffel eine Ehrenrunde drehte. Und es bebte, als die Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause die letzte Hürde nahm.
Ein paar Meter später feieerte Krause dann in den Armen von Maskottchen Berlino und warf mit strahlendem Lächeln immer wieder Kusshändchen ins Publikum. Mit einem unwiderstehlichen Schlussspurt verteidigte der deutsche Lauf-Darling seinen EM-Titel über 3000 Meter Hindernis erfolgreich und entschädigte sich für das Sturzpech von der Weltmeisterschaft 2017. „Ich wollte hier unbedingt gewinnen. Ich hatte keinen Plan B, für mich kam nur der Sieg infrage“, sagte Krause in der ARD. „Es war ein atemberaubend tolles Feeling.“
Die 26-Jährige aus Trier setzte sich am Sonntag im Berliner Olympiastadion souverän in persönlicher Saisonbestleistung von 9:19,80 Minuten durch.
Im EM-Vorlauf hatte Krause sich nun mit der drittbesten Zeit noch „ein paar Körner aufgespart“ – im Finale hielt sie sich zunächst zurück. An der Seite von Burkard blieb Krause zu Beginn in fünfter Position und beachtete damit die Vorgabe ihres Trainers Wolfgang Heinig, keine Führungsarbeit zu erledigen. Die Schweizerin Schlumpf machte das Tempo, Krause hielt mit und zog am letzten Wassergraben davon. „Ich habe mich an die Rennen erinnert, die ich am Wassergraben gewonnen habe – und das war auch heute der Plan“, sagte sie glückselig.
Bei ihrer ersten EM-Goldmedaille vor zwei Jahren in Amsterdam lag sie noch knapp zehn Sekunden vorne. 2012 hatte sie in Helsinki bereits EM-Bronze gewonnen.
Krause hatte bei der WM in London vor einem Jahr durch einen unverschuldeten Sturz alle Medaillenchancen eingebüßt, sich trotz eines Blutergusses am Knie wieder aufgerappelt und war noch Neunte geworden. „So etwas passiert nur einmal, ich hatte letztes Jahr einfach Pech“, sagte sie nun nach ihrem EM-Erfolg. „Die Stimmung hier hat mich beflügelt, ist einfach genial.“
Vier flotte Frauen und sehr laute 42 350 Zuschauer jubelten über Staffel-Bronze für Deutschland – dagegen war das Männer-Quartett nach einem Sturzdrama im Halbfinale tieftraurig. Fünf Tage nach ihrem Silber-Coup im Einzelrennen hat Top-Sprinterin Gina Lückenkemper das DLV-Quartett über 4×100 Meter erneut aufs Podium geführt. Auch vor zwei Jahren in Amsterdam gab’s Bronze.
Lisa-Marie Kwayie aus Berlin, Lückenkemper (Leverkusen), Tatjana Pinto (Paderborn) und Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) mussten sich im historischen Olympiastadion in 42,23 Sekunden dem siegreichen britischen Quartett (41,88 Sekunden) und den Niederländerinnen (42,15) geschlagen geben. „Wir wollten eine Medaille, sind um unser Leben gerannt, besser geht’s nicht“, sagte Pinto dennoch überglücklich. „Wir hatten so viel Spaß, das Berliner Publikum hat uns alle beflügelt“, fügte Lückenkemper hinzu.
Ein doppelter Sturz schockte am Schlusstag die deutschen Staffelmänner, die beim letzten Wechsel in Führung lagen und das erträumte Finale schon vor Augen hatten. Schlussläufer Lucas Jakubczyk (Berlin) strauchelte nach der Stabübergabe aber und stürzte auf die Bahn. Auch Staffelkollege Julian Reus, der auf Position drei lief und nicht mehr ausweichen konnte, kam zu Fall.
Lokalmatador Jakubczyk wurde zunächst noch behandelt. Danach konnte er aufstehen, humpelte davon und winkte lachend ins Publikum – mit einem Kopfverband wie ein Turban und bandagiertem Knie. Reus musste nach DLV-Angaben danach mit dem Mannschaftsarzt Volker Steger zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus.
Damit ist die Medaillenserie der deutschen Männerstaffeln gerissen: Seit 2010 holten sie immer eine Medaille: Bronze, Silber, Silber und vor zwei Jahren in Amsterdam Bronze. Nun hat ein böser Sturz diese Erfolgsbilanz beendet. dpa