Reform des Davis Cup

Verkaufte Tradition

von Redaktion

Der Sport lebt bekanntlich auch von seinen Traditionen. Von den zum Teil uralten Geschichten und Legenden, die einen Wettstreit schmücken und zum Leuchten bringen wie die Kerzen einen Weihnachtsbaum. Die Tour de France wäre sicher nicht das weltberühmte Rad-Spektakel, wenn es sie nicht schon 115 Jahre gäbe. Ihre Historie, die immer wieder erzählten Heldensagas, gehören zum Kern dieser Marke. Sie stiftet einen Zauber, der Zuschauer und Sportler gleichermaßen in seinen Bann zieht. So ist es auch bei anderen Klassikern des Sports, die ihre aktuelle Bedeutung aus ihrer Vergangenheit schöpfen. Tradition hat also einen unschätzbaren Wert. David Haggerty, Präsident des Tennis-Weltverbandes ITF, schert dies jedoch wenig. Der Funktionär will vielmehr eine der Hauptattraktionen seiner Branche so radikal reformieren, dass von ihrem ursprünglichen Charakter im Grunde nur noch der Name übrig bliebe. Die Rede ist vom Davis Cup.

Vor 118 Jahren wurde dieser Wettbewerb erstmals ausgetragen: Damals schlugen im Finale die USA die sogenannten Britischen Inseln mit 3:0. Seither hat sich dieser Wettbewerb zu einem Hochfest der Tennis-Emotionen entwickelt. Auch weil sich hier die eingefleischten Individualsportler ausnahmsweise in Teamplayer verwandeln und sich dieser Davis-Cup-Spirit wie in einem Fußballspiel auf das Publikum überträgt. Große Schlachten sind da schon geschlagen worden. Erinnert sei an 1987, als Boris Becker seinen Erzrivalen John McEnroe in sechs Stunden und 21 Minuten niederrang.

Sicher, in jüngerer Vergangenheit ließ der Glanz etwas nach, da immer mehr Stars ihrem persönlichen Turnierplan den Vorzug gaben und einen Bogen um den Davis Cup machten. Das rechtfertigt aber nicht, sich von seinem Spannungsbogen – den über vier Runden verteilten K.o.-Duellen samt dem Prinzip des Heimrechts – zu verabschieden. Haggertys Reform sieht vor, das Turnier auf eine Woche mit einem einzigen Austragungsort zu konzentrieren. Das wäre das Ende des bisherigen Davis Cups. Das Motiv des Weltverbandschefs ist nur zu offensichtlich. Ein Konsortium bietet drei Milliarden Dollar für die Rechte eines reformierten Davis Cups für die nächsten 25 Jahre. Haggerty will also die Marke reichlich versilbern – und zugleich ihre Tradition preisgeben. Dem Sport ist damit sicher nicht gedient.

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