43 Stunden schlaflos – weil Bayern kommt

von Redaktion

Nord-Regionalligist Drochtersen/Assel fiebert dem „Jahrhundertspiel“ im Pokal entgegen

Drochtersen – Sören Behrmann sitzt an seinem Schreibtisch in einem Autohaus. Aus seinem Büro schaut er auf die frisch polierten Wagen im Showroom und wartet auf Kundschaft. Dabei kreisen Behrmanns Gedanken seit Tagen vor allem um Robert Lewandowski, Thomas Müller, Manuel Neuer und Co. „Wir können es kaum erwarten, dass es endlich losgeht“, sagt der Amateurfußballer.

Die Erstrundenpartie im DFB-Pokal gegen den FC Bayern sei für ihn und seine Mitspieler von Regionalligist Drochtersen/Assel „ein Jahrhundertspiel“. Schon nach der Auslosung am 8. Juni, „einem der schönsten Tage in meinem Leben“, habe er „43 Stunden lang nicht geschlafen“. Behrmanns blaue Augen leuchten, wenn er vom Duell mit dem Rekordpokalsieger und seinem Idol Mats Hummels spricht. Der Kapitän des Viertligisten, der im echten Leben täglich von 8 bis 18 Uhr Autos verkauft, war schon dabei, als Drochtersen 2016 haarscharf an einer Erstrunden-Sensation gegen Borussia Mönchengladbach (0:1) vorbeigeschrammt war.

„Gladbach war unser Highlight, aber Bayern sprengt alle Dimensionen“, sagt der 28 Jahre alte Innenverteidiger, der in Drochtersen zusammen mit Schülern und Studenten, Maurern und Steuerberatern kickt. Seit Tagen gibt es in der 11 000-Einwohner-Gemeinde, 45 Kilometer nordwestlich von Hamburg, nur dieses eine Thema. Selbst die Kirche kann sich der Faszination des Duells nicht entziehen. „Wir glauben an Wunder. Wir vertrauen auf Gott. Wir sind D/A“, begrüßt das örtliche Gotteshaus seine Gäste im Stadtzentrum mit einem riesigen Banner. Im historischen Rathaus trägt Bürgermeister Mike Eckhoff dieser Tage schon mal seinen Fanschal. „Das Spiel ist in aller Munde. Ob Kirche oder Bürger – wir fiebern alle daraufhin“, sagt er. Am Gartenzaun spreche man drüber: „Selbst bei Ratssitzungen.“

Dank zusätzlich aufgebauter Stahltribünen dürfen morgen 7800 Fans die Bayern-Stars im Stadion bewundern. „Wir hätten ohne Frage auch 30 000 Tickets oder mehr verkaufen können“, sagte Vereinspräsident Rigo Gooßen. Aus wirtschaftlichen Gründen nach Hamburg umzuziehen, habe aber „nie zur Diskussion“ gestanden. „Für unser Dorf ist es ein einmaliges Erlebnis. Darüber soll man noch in 10, 15 Jahren sprechen“, sagt Gooßen, der dem Club seit 37 Jahren vorsteht.

An einen Erstrundenerfolg gegen die Bayern, wie er zuletzt vor 24 Jahren den Amateuren vom TSV Vestenbergsgreuth gelang, glaubt in Drochtersen allerdings keiner so richtig. „Wir wollen das Spiel genießen, werden uns zerreißen bis zum Ende“, sagt Behrmann, „aber gegen solche Weltstars wird es natürlich richtig schwer. Das Ziel? „Wir wollen weniger Gegentore als der HSV kriegen, darüber witzeln wir in der Kabine. Und vielleicht schaffen wir es ja tatsächlich, weniger als acht zu bekommen.

Die Bayern-Fans jedenfalls dürfen sich vor der Reise in die niedersächsische Provinz auf einen kulinarischen Leckerbissen freuen. Denn seit DFB-Präsident Reinhard Grindel nach einem Besuch im Kehdinger Stadion 2016 öffentlich im Fernsehen von der Bratwurst schwärmte, rühmt sich der Dorfklub, die beste Stadionwurst Deutschlands zu verkaufen. „Die Bayern sollten vor dem Spiel ruhig schon mal eine kleine Bratwurst essen“, rät Bürgermeister Eckhoff.

Ob Bayern-Coach Niko Kovac und seine Stars sich tatsächlich an der Würstchenbude unters Volk mischen? Egal. Ganz Drochtersen freut sich auf eine unvergessliche Fußball-Party. „Das wird ein richtig schönes Dorffest“, verspricht Behrmann. Er kann es kaum erwarten.  sid

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